Magazinrundschau - Archiv

Humanities

3 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 03.12.2013 - Humanities

Sehr anregend schreibt der Kulturhistoriker Christoph Irmscher (mehr hier und hier) über den Darwin-Antipoden Louis Agassiz, der Naturwissenschaften in den USA populär machte, aber anders als Darwin glaubte, dass jede Art für sich nach einem göttlichen Plan geschaffen worden sei. Sein Gegenpart und Darwin-Alliierter war Asa Gray, aber, so Irmscher, es wäre falsch zu glauben, dass hier eine Fortschritts- gegen eine konservative Partei gekämpft hätte, denn Gray, nicht Agassiz war kirchenfromm: "Professor Gray hatte kein Problem damit, Evolution als Beweis für Gottes Kraft anzusehen, ein Umstand, der seinen Freund Darwin bekümmerte, welcher eine ätzende Bemerkung über Gray hinterließ: Während Gray die Regentropfen zähle, die die Erde befruchten, sei er, Darwin, interessierter an jenen Tropfen, die in den Ozean fallen - eine wunderbare Art, Darwins Blick auf die Natur zu fassen, in welchem wenig Trost für die Kümmernisse der Menschheit liegt." Irmscher hat gerade eine Biografie über Agassiz vorgelegt, hier ein Auszug.

Magazinrundschau vom 22.10.2013 - Humanities

Steve Moyer erzählt, wie Stéphane Mallarmé, der modernste Lyriker des 19. Jahrhunderts, das "Buch" neu dachte. Basierend auf Sigridur Arnars Studie "The Book as Instrument" macht er zunächst deutlich, dass "das" Buch auch seinerzeit schon umstellt war von offeneren Medien: Alben, Feuilleton-Romanen, Zeitungen und Zeitschriften. Eine der Antworten Mallarmés auf dieses Medien-Problem vor seinem Geniestreich "Un coup de dés" war das Künstlerbuch, für das er sich unter anderem mit Edouard Manet zusammentat: "Manet und Mallarmé arbeiteten bei dem 'Raben' von Poe zusammen, das von Mallarmé übersetzt und von Manets Radierungen illustriert wurde. Für beide war ihre Zusammenarbeit ein Weg, Verleger und Akademie-Jurys zu umgehen. Sie wollten das Publikum direkt erreichen. 'Der Rabe' war in jedem Apekt ein Kunstwerk, von der Wahl der Papierdicke über die Typografie bis zu den minimalistischen Radierungen Manets, die dem Leser Raum für Kontemplaton und seine eigene Interpretation von Poes Erzählgedicht gaben." Das Buch war ein kommerzieller Misserfolg. Nur 240 Exemplare wurden gedruckt.

Das Bild zeigt Manets Raben im Flug:


Magazinrundschau vom 18.12.2012 - Humanities

Zu Bram Stokers Zeiten gab es noch keine Fan-Webseiten, die 24 Stunden am Tag um ihren Lieblingsvampir kreisten. Aber was ein Fan ist, wusste der spätere Dracula-Autor sehr wohl, meint Meredith Hindley. Der 22-jährige Ire Stoker verehrte nämlich einen ältlichen amerikanischen Dichter, den er als Student erst verlacht hatte. 1872 schrieb er ihm einen 2000 Worte langen Brief - die Art Brief, für die man sich den Rest seines Lebens schämt, wenn er nicht angenommen wird. Aber glücklicherweise war Walt Whitman nie hochnäsig und antwortete. "Jahre später erinnerte sich Horace Traubel an diesen Briefwechsel in seinem Buch 'Mit Walt Whitman in Camden': 'Er war ein frecher Teenager', sagte Whitman über Stoker. 'Es kam mir nie in den Sinn, die Briefe zu verbrennen. Warum zur Hölle sollte es mich kümmern, ob sie gehörig waren oder nicht? Er war frisch, kess, irisch: das war der Eintrittspreis und mehr - er war willkommen!' Whitman bemerkte auch, dass Stoker mehr an sich selbst geschrieben hatte als an den Dichter. 'Ich konnte nur warm und das heißt persönlich darauf antworten: mit meinem ganzen Herzen.'"
Stichwörter: Whitman, Walt