Afonso Reis Cabral

Aber wir lieben dich

Roman
Cover: Aber wir lieben dich
Carl Hanser Verlag, München 2021
ISBN 9783446269200
Gebunden, 304 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. Eine Geschichte vom Rand der Gesellschaft: Afonso Reis Cabrals erschütterndes Porträt der obdachlosen trans Frau Gisberta.  "Wir lieben dich Gisberta" - rufen ihr die Freier und die Zuschauer der Show zu, bei der die trans Frau als Marylin Monroe posiert. Als sie später in einer Bauruine in Porto haust, kümmert das niemanden mehr. Rafa, der sie als Erster dort entdeckt, ist stolz auf sein ungewöhnliches Geheimnis. Es ist die Begegnung zweier Menschen am Rande der Gesellschaft. Doch dann wird ihm klar, dass auch die Frau ein Geheimnis hat. Zerrissen zwischen Attraktion und Verachtung, Gruppenzwang und Geltungsdrang, gleitet Rafa in eine Spirale des Bösen. Wer ist schließlich schuldig - die Jungen, die Gesellschaft?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.04.2022

Den portugiesischen Schriftsteller Afonso Reis Cabral "sollte man im Auge behalten" empfiehlt Rezensentin Karin Janker, nachdem sie seinen ersten auf Deutsch übersetzten Roman gelesen hat. In einem Gespräch mit dem Autor erfährt die Rezensentin, dass er sich vorgenommen hatte, literarisch die Hintergründe eines grausamen Mordes mehrerer Jugendlicher aus einem Heim an einer Transfrau zu ergründen. Das sei Cabral "kunstvoll" gelungen, lobt Janker und folgt gefesselt der Ich-Erzählung des jungen Rafael, der zuerst vorgab, der Freund der Transfrau zu werden, die er in einer alten Bauruine in Porto fand, bis er Teil der Gruppe wurde, die sie töteten. In seinen Geschichten gehe der Autor "unsentimental" vor und bringe zugleich eine besondere "Feinfühligkeit" gegenüber seinen Figuren auf, stellt die Rezensentin fest. Selten habe sie so ein Buch gelesen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.05.2021

Anfang der 2000er-Jahre wurde im Süden Portugals eine transsexuelle Person von Jugendlichen auf brutale Weise ermordet, weiß Rezensent Michael Kegler. Der genaue Tathergang und dessen Vorgeschichte ist noch nicht vollständig geklärt. Afonso Reis Cabra füllt diese Lücken nun mit Fiktion, und aus den Lücken heraus entfaltet sich eine packende Geschichte, der Kegler eine "verstörende Wucht" zuschreibt. Es ist vor allem die Ambivalenz der Charaktere, die diese Wucht erzeugt, sowie die Tatsache, dass der Autor ihre Täterschaft nicht durch ihren Opferstatus entschuldigt, fährt der Rezensent fort. Cabra lässt seine Leser in die von Armut, Gewalt und Vernachlässigung geprägte Lebenswelt der Jugendlichen eintauchen, er erzählt davon wie zwei Jungen aus dem Heim in einer Bauruine die obdachlose Gisberta finden und eine Art Freundschaft zu ihr aufbauen - doch die Beziehung ist fragil. Als einige ältere Jugendliche aus dem Heim die obdachlose Transperson ebenfalls entdecken, geben die beiden Jungen dem nach, was Kegler einen "gemeinsamen Machtwillen" nennt, einen Machtwillen, der sie schließlich ebenfalls zu Tätern macht. In diesem Roman verbinden sich Tragödie und True-Crime zu einem berührenden und komplexen Kunstwerk, so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.04.2021

Rezensent Tilo Wagner imponiert es, wie ambitioniert und eigensinnig der Jungautor Afonso Reis Cabral (Enkel des großen portugiesischen Schriftstellers Eça de Queiroz) versuche, abseits des großväterlichen Erbes seinen eigenen Weg als Schriftsteller zu beschreiten. Sein neuer Roman erzählt, basierend auf einem wahren Fall, vom brutalen Mord an einer Transsexuellen, begangen von einer Gruppe Heimjugendlicher - in Cabrals Fiktion auf der Suche nach mütterlicher Zuwendung. Wagner erkennt den großen investigativen Eifer an, mit dem sich der Autor, selbst aus gutbürgerlichem Hause, in umfangreiche Recherchen über das trostlose Heimatmilieu der Täter stürze. Ein Truman Capote sei Cabral nicht, sein Roman aber eine "psychologisch feinfühlige" Geschichte über die Unfähigkeit zu lieben, schließt Wagner.