Andrea Erkenbrecher

Oradour und die Deutschen

Geschichtsrevisionismus, strafrechtliche Verfolgung, Entschädigungszahlungen und Versöhnungsgesten ab 1949
Cover: Oradour und die Deutschen
De Gruyter Oldenbourg Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783110633634
Gebunden, 674 Seiten, 84,95 EUR

Klappentext

Wie ging man in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Erbe des Massakers in Oradour um? Das Dorf, das Soldaten der Waffen-SS 1944 zerstörten und in dem sie 643 Menschen töteten, wurde in Frankreich das Symbol für das Leiden unter der deutschen Besatzung. Andrea Erkenbrecher untersucht, wie sich Politik, Justiz und Zivilgesellschaft in West-, Ost- und wiedervereinigtem Deutschland zu dem Verbrechen verhielten. Sie fragt nach der strafrechtlichen Verfolgung der Täter, Entschädigungszahlungen, der Rolle des deutschen Oradour-Revisionismus sowie den Möglichkeiten und Grenzen auf der Suche nach Versöhnung. Im Blick bleiben dabei stets die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte, die innerfranzösische Situation und nicht zuletzt die Erwartungen der Überlebenden und Hinterbliebenen des Massakers.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.07.2023

Einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen im Südosten und Westen Europas liest Rezensent Konstantin Sakkas mit der Dissertation der Historikerin Andrea Erkenbrecher. Die Autorin liefert hier eine genaue Analyse des Massakers im französischen Oradour-sur-Glane und deckt außerdem zahlreiche "Entlastungsnarrative" auf, die den Diskurs über die Taten der SS verfälschten, lesen wir. So kommt Erkenbrecher zum Schluss, dass das Massaker, bei dem 643 Zivilisten ermordet wurden, eine geplante Aktion war, von der die Regiments-und Divisionsführung wusste. Mitnichten handelte es sich, wie hartnäckig behauptet wurde, um eine aus dem Ruder gelaufene Suchaktion, deren Eskalation von einem einzigen SS-Hauptmann ausgelöst wurde, erläutert der Kritiker. Erkenbrecher ist Expertin auf ihrem Gebiet, so Sakkas, und das merke man ihrer Arbeit auch an.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.06.2023

Rezensent Frank Bösch erfährt bei Andrea Erkenbrecher, wie die Justiz und die Politik der Bonner Republik die Aufarbeitung des Massakers der Waffen-SS in Oradour und die Verurteilung der Täter verhinderte. Akribisch, allerdings auch akademisch in der Quellenbehandlung der Akten zeigt die Autorin laut Bösch den Revisionismus der Bundesregierung und auch die Instrumentalisierung des Massakers durch die DDR. Das Buch bietet wichtige Erkenntnisse über den deutschen Umgang mit dem NS-Terror, erklärt Bösch.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.05.2023

Rezensent Hans Holzhaider ist fassungslos über das, was er im Buch der Historikerin Andrea Erkenbrecher über das von deutschen Soldaten begangene Massaker an französischen Zivilisten im Ort Oradour-sur-Glane liest. Die Autorin legt dar, wie die Aufklärung des Kriegsverbrechens, bei dem deutsche Soldaten mindestens 650 Männer, Frauen und Kinder ermordeten, im Nachkriegsdeutschland systematisch verhindert wurde, so der Kritiker. Kein einziger der Mörder aus der SS-Division "Der Führer" wurde in der BRD für seine Taten verurteilt, stellt der Kritiker entgeistert fest, vor allem, weil führende Positionen in Politik und Justiz mit ehemaligen NS-Funktionären besetzt waren und die Vertuschungspropaganda der NS-Zeit nachwirkte. Der Kritiker betont das enorme Wissen und den Sachverstand der Autorin, die aus diesem Buch sprechen, das für ihn ohne Zweifel das "neue Standardwerk" zum Thema Oradour darstellt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de