Andrej Platonow

Die glückliche Moskwa

Roman
Cover: Die glückliche Moskwa
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783518428962
Gebunden, 221 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Renate Reschke und Lola Debüser. Eine junge Frau kommt Mitte der dreißiger Jahre nach Moskau, um ihr Glück zu suchen. Moskwa, "Tochter der Revolution", ist ein starkes, prachtvolles Geschöpf, eine Fallschirmspringerin, der Wind ist ihr Element. Beim Besuch einer Metrobaustelle stürzt sie in den Schacht und verliert ein Bein. Ihrer Attraktivität tut dies keinen Abbruch. Bei zahllosen erotischen Abenteuern lernt sie Männer kennen - darunter einen Ingenieur, eine Chirurgen und einen aus der Gesellschaft ausgestoßenen Intellektuellen -, die sich unsterblich in sie verlieben. Für Moskwa ist Sex nur eine physiologische Notwendigkeit. Unter Glück versteht sie etwas anderes, etwas Zukünftiges. Zum Leben mit einem einzelnen Mann fühlt sie sich nicht geschaffen, und solange sie ihre Entsprechung, ihr Glückskorrelat noch nicht gefunden hat, gibt sie dem Alleinsein den Vorzug. "Die glückliche Moskwa", Platonows ist letzter, erst Anfang der neunziger Jahre entdeckter Roman.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.02.2020

Sonja Zekri sieht in dem russischen Schriftsteller Andrej Platonow einen "ökologischen Propheten", der Menschlichkeit und Fortschritt immer zusammengedacht hat und würdigt neben der Anthologie "Dshan" auch seinen Roman "Die glückliche Moskwa", mit dem Platonow zeigte, wie sehr er seiner Zeit voraus war: Er geht in seinem Roman mit "anspielungsreicher" und klangvoller Sprache der Liebe im sozialistischen System auf den Grund. Vielleicht, so mutmaßt die Rezensentin, wollte Platonow in seinen Werken weniger am Sozialismus festhalten, als vielmehr das System literarisieren und den Menschen dahinter zu ergründen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.02.2020

Andreas Breitenstein gibt zu, dass Andrei Platonows Roman von 1936 schwere Kost ist. Eine sperrige Handlung, harte Schnitte, Figuren mit "verquaster" Gedankenwelt und eine "ideologisch gefärbte Sprache" machen ihm die Lektüre schwer. Allerdings begegnet er auch "unvergleichlicher poetischer Intensität" und "existenzieller Wucht", wenn Platonow mit sarkastischem Witz den Untiefen der Revolution auf den Grund geht. Wie Platonow seine "comichafte" Symbolfigur der Reinheit, Schönheit und Kraft heldisch allerlei Milieus, Berufen und dem Geist der Zeit begegnen lässt, findet Breitenstein insgesamt durchaus faszinierend.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.01.2020

Rezensentin Kerstin Holm freut sich über die Prachtausgabe von Andrej Platonows letztem Roman, die sowohl Varianten als auch Verworfenes enthält. Der fragmentarisch gebliebene Text, in dem der Autor laut Holm den industriellen Aufbruch anhand einer unwiderstehlichen Frauenfigur symbolhaft beschreibt, strotzt für die Rezensentin nur so vor Idealismus. Dass die Verbindung der Ideale zu einer neuen Gemeinschaft am Ende nicht gelingen will und Platonow den Roman mit "verlassenen Frauen und Kindern" und einer fliehenden Heldin beschließt, lässt Holm das angestrebte vollkommene Glück nur umso schmerzlicher vermissen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.01.2020

Dieses Romanfragment thematisiert "den Widerspruch zwischen dem Traum von einer besseren Welt und der menschlichen Wirklichkeit", weiß Rezensent Fokke Joel. Das Waisenmädchen Moskwa wächst in den Nachwehen der Oktoberrevolution zu einer glühenden Sozialistin heran und scheitert wegen seiner hochfliegenden Ideale daran, ein glückliches Leben zu führen, erklärt der Kritiker. Der melancholische Roman hat Joel gezeigt, wie dramatisch die Ernüchterung nach der Revolution unter Stalin ausfiel. Der Rezensent bedauert, dass der letzte Teil dieses "seltsam poetischen" Buchs gestohlen wurde, und hofft, dass er vielleicht irgendwann in einem russischen Geheimdienstarchiv wiederauftaucht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 07.01.2020

Rezensent Jörg Plath hat ganz schön zu knabbern an diesem in den 1930er Jahren unveröffentlichten und 1990 erstmals publizierten Roman von Andrej Platonow. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, die in der Oktoberrevolution Eltern, Erinnerung und Namen verliert, ohne Rücksicht auf Verluste zu leben beginnt und Affären mit zwei Revolutionären und einem "Außermilitärischen" eingeht. Wie Platonow Revolution, Gewalt, Härte und Not beschreibt, mit roher Sprache, findet der Kritiker ebenso erschütternd wie "anschaulich".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.11.2019

Katharina Granzin schätzt das Unvollendete an Andrej Platonows letztem Roman von 1936, jetzt vorliegend in einer um Notizen des Autors erweiterten Neuausgabe. Die Hoffnung der Figuren im Moskau der dreißiger Jahre auf ein friedliches Leben, bleibt so bestehen, meint Granzin, und wird nicht von den realen Ereignissen der stalinistischen Verfolgungen enttäuscht. Solcherart ist der Text für die Rezensentin eine lebendige Hommage an den Aufbruchsgeist dieser Ära, der sich für Granzin auch niederschlägt in den ehrgeizigen männlichen Figuren, dem Ingenieur, dem Mediziner, dem Ex-Militär. Noch symbolischer ist laut Granzin die rastlose weibliche Hauptfigur zu verstehen. Die Färbung der Erzählung ist surrealistisch bis spöttisch, erläutert die Rezensentin.
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