Anna Seghers

Jans muss sterben

Erzählung
Cover: Jans muss sterben
Aufbau Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783351034993
Gebunden, 89 Seiten, 15,29 EUR

Klappentext

Diese bislang unbekannte Erzählung fand der Sohn von Anna Seghers erst jetzt zwischen Papieren, die die Autorin 1940 bei ihrer Flucht aus Paris zurücklassen muss. Es ist die Geschichte von Marie und Martin Jansen, die ihre Liebe füreinander längst verbraucht haben. All ihre Hoffnungen knüpfen sie an ihr Kind. Doch eines Tages fällt Jans einer unerklärlichen Krankheit zum Opfer. Der Kummer trennt die Eltern noch mehr; jeder verschließt eifersüchtig seine Angst und seine Qual, die ihn fast zerreißen.
Auch als Hörbuch beim Audio Verlag erschienen (ISBN 389813119X) für 32,95 Mark. Sprecherin: Hannelore Hoger.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.01.2001

"Jans muß sterben" von Anna Seghers ist für den Rezensenten eine echte Überraschung, und dies gleich in zweierlei Hinsicht: zum einen hätte Hans-Jürgen Schmitt nicht damit gerechnet, dass es noch Unveröffentlichtes von Anna Seghers gibt, zum anderen wertet er diese frühe Erzählung, die Seghers im Alter von fünfundzwanzig Jahren verfasst hat, als echtes Meisterstück. Die Ursache für ihr unerwartetes Erscheinen klärt er schnell auf: Anna Seghers wollte und konnte nach der Rückkehr aus dem mexikanischen Exil 1947 nicht an frühere Schreibtraditionen anknüpfen und bat deshalb ihren Sohn, ihr nur spätere Werke zuzuschicken. Dieser habe den Wunsch der Mutter bis zum Gedenken an ihren einhundertsten Geburtstag respektiert. "Jans muß sterben" ist für Schmitt eine echte Bereicherung für die literarisch interessierte Welt. Die Fähigkeit der jungen Seghers, die unheimliche psychologische Spannung im Kleinbürger- oder Arbeitermilieu zu gestalten, lobt der Rezensent so überzeugend, das man am liebsten sofort mit der Lektüre beginnen würde.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.12.2000

Fritz J. Raddatz ist nachdenklich: soll man Bücher von verstorbenen Autoren veröffentlichen, die "mehr Skizzenblock als Buch" sind? Anna Seghers "Jans muss sterben" ist solch ein Skizzenbuch. Es hätte "ein kleines Meisterwerk" werden können, davon ist Raddatz überzeugt, wenn Seghers ihr Talent nicht so "verschlampt" hätte. Trotzdem ist ihr großes Talent spürbar: harter Stil, weiches Herz und eine "sonderbare Dialektik", die "Lust am Auskosten des Elends" vermittelt. Fertig sei das Buch trotzdem nicht: die vielen "laschen Bilder, Wiederholungen, Undifferenziertheiten" zeugen davon. Raddatz scheint tatsächlich gequält, wenn er sich über die viel zu vielen Augenmetaphern in allen Variationen auslässt. Ein Trost mag ihm da nur das "behutsame Nachwort" von Christiane Zehl Romero gewesen sein.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.11.2000

In ihrer sehr schönen, einfühlsamen Kritik stellt Andrea Köhler zunächst fest, dass diese Erzählung für sie eindeutig von Anna Seghers stammt, auch wenn das nachgelassene Manuskript nicht von der Autorin gezeichnet wurde. Der "luzide Stil" und auch die für Seghers Gesamtwerk "charakteristischen Motive" sprechen ihrer Ansicht nach dafür. Warum muss das Kind Jans sterben, fragt die Rezensentin, die auf der Suche nach einer Antwort immer wieder den Text zu Rate zieht. Jans Eltern beschreibt sie als "verbraucht" (der Vater) und "erbittert" (die Mutter). Etwas wie Freude empfinden sie erst wieder, nachdem Jans tot ist. Köhler arbeitet differenziert die möglichen Ursachen von Jans` frühem Tod heraus: er könnte das Opfer seiner Eltern geworden sein, weil allein sein Leben mit den daran geknüpften Erwartungen den kleinen Raum gesprengt hätte, in den die Eltern ihr Leben gepresst haben. Vielleicht ist er aber auch aus eigenem Entschluss gestorben, weil er weiß, dass sein Tod die Eltern erleichtern würde. Ob nun Krankheit, Selbstmord oder Mord war, "in Liebesdingen, zwischen Vater, Mutter und Kind zumal" ist das "oft nur ein gradueller Unterschied", schreibt Köhler und schließt: "Die Nuancen, die Übergänge sind in dieser kleinen Erzählung ausgiebig zu studieren."
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