Antonio Scurati

M. Der Mann der Vorsehung

Roman
Cover: M. Der Mann der Vorsehung
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021
ISBN 9783608984576
Gebunden, 640 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Antonio Scurati setzt sein Epos über den Faschismus fort: Zu Beginn des Jahres 1925 siecht Benito Mussolini seinem Ende entgegen. Das jahrelange Tauziehen um den obersten Posten des Landes fordert offenbar seinen Tribut. Doch der jüngste Premierminister in der Geschichte Italiens weigert sich, an einem einfachen Magengeschwür zu verenden. Das Bild des glorreich siegenden Duce, der sich den Mord an Matteotti wie einen Verdienst ans Revers geheftet hat, scheint in weite Ferne gerückt. Zur Befriedung der Zänkereien zwischen seinen Gefolgsleuten setzt er andere ein; die ungestüme Tochter Edda verheiratet er kurzerhand mit Galeazzo Ciano; Badoglio und Graziani werden mit der afrikanischen Mission betraut, die im Grauen von Giftgas und Konzentrationslagern mündet.
Antonio Scurati schreibt den Weg von "M. Der Sohn des Jahrhunderts" fort: Mit Hilfe der Verflechtung von Erzählung und Originalquellen entreißt er die Schlüsselfiguren und -ereignisse der Jahre 1925 bis 1932 dem Vergessen. Der Roman endet mit dem zehnten Jahrestag der Revolution, als M. das gespenstische Denkmal für die faschistischen Märtyrer errichten lässt, das mehr noch als an vergangene Tote an heraufziehende Katastrophen zu gemahnen scheint.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.12.2021

Im Grunde findet Rezensent Marco Bertolaso den Ansatz löblich, den Antonio Scurati mit seiner Mussolini-Reihe verfolgt: weg vom "rituellen" Antifaschismus, stattdessen "Abschreckung durch Nähe", fasst der Kritiker zusammen. Nur gelingt das dem Autor im nun vorliegenden zweiten Band, der die Jahre 1925 bis 1932 behandelt, weniger gut als im ersten Band, meint Bertolaso, denn hier "menschelt" es dem Kritiker etwas zu sehr um den Diktator: Sehr "fähig", fleißig, zielgerichtet und auch kunstbegeistert werde Mussolini dem Leser präsentiert, und dabei eben zu wenig abschreckend, bemängelt Bertolaso. Hier geht Scuratis Methode für ihn nicht mehr auf. Mit den ausstehenden Bänden zur zunehmend brutalen Ausrichtung des Faschismus wird sich dieses Problem aber erledigen, vermutet der Kritiker, und einen "großen Dienst" erweise Scurati der italienischen Gesellschaft ohnehin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.12.2021

Für den Rezensenten Thomas Steinfeld geht Antonio Scuratis Mix aus Fakten und Fiktion auf, mit dem der Autor sich in seinem biografischen Roman der Figur Mussolinis nähert. Wie Scurati sich mit sprachlichem Schmuck den körperlichen Leiden des Mannes widmet und zugleich immer wieder eng an historischen Dokumenten arbeitet, sodass Steinfeld den Eindruck hat, Geschichtsschreibung zu lesen, findet der Rezensent überzeugend. Streng chronologisch, in kleinen Szenen schafft der Autor ein stoffreiches, dennoch lesbares Stationendrama, wechselt zwischen Menschlichem und Politischem, kommentiert das Erzählte und kommt so einem objektiven Standpunkt gegenüber der Figur recht nahe, erklärt Steinfeld.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.09.2021

Rezensentin Maike Albath ist nicht überrascht, dass Antonio Scuratis zweiter Band der Mussolini-Romantrilogie mit graphischen, drastischen Beschreibungen beginnt. Scurati ist immerhin dafür bekannt, dass er genussvoll Eingeweide, deren Inhalt und Gestank zur Schau stellt, erklärt die Rezensentin. Doch inhaltlich handelt dieser Band neben Stuhlganganalysen vom weiteren Aufstieg des italienischen Diktators Mussolini, den Albath effektvoll kontrastiert findet. Formal unterscheidet sich dieses Buch, das die Jahre zwischen 1925 und 1932 behandelt, ihr zufolge kaum vom ersten Band, es sind wieder chronologisch geordnete kurze Kapitel mit nachgestellten Originalzitaten und abwechselnd auftretenden Akteuren, die Mussolini umgaben. Trotz der ironischen Erzählerstimme, den pikanten Details über Mussolinis Umfeld und dem aufklärerischen Beweggrund des Autors sieht die Rezensentin die Schwäche des Buches darin, dass es sich nicht wagt, die Gräueltaten zur Hauptthematik zu verarbeiten. Damit ist "Der Mann der Vorsehung" leider kein Kriegsepos, sondern nur ein zwiespältiges "Geschichtsabwicklungsunternehmen", schließt Albath.