Aris Alexandrou

Die Kiste

Roman
Cover: Die Kiste
Antje Kunstmann Verlag, München 2001
ISBN 9783888972768
Gebunden, 300 Seiten, 21,88 EUR

Klappentext

Aus dem Griechischen und mit einem Nachwort von Gerhard Blümlein. Im September 1949 sitzt der letzte Überlebende eines Todeskommandos in einer Zelle. Die Gründe für seine Verhaftung kennt er nicht. Als Freiwilliger für die "Demokratische Armee" sollte er gegen Ende des Bürgerkriegs zusammen mit seinen Genossen eine Kiste unbekannten Inhalts vom Hauptquartier der Partisanen an die revolutionäre Führung der Stadt K. überbringen. Monatelang irrt der Trupp durchs Land. Einer nach dem anderen kommt um. Nur der Erzähler überlebt und schafft es, die Kiste zu übergeben. Als sie geöffnet wird, ist sie leer.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.07.2002

Kafkaesk, dieser Roman und zu Recht ein Klassiker der griechischen Moderne, findet Stephan Maus, der das Buch aus dem Jahr 1972 als "Allegorie über die Entfremdung des autonomen Subjekts durch die Abhängigkeit von einer willkürlichen militärischen Gewalt" gelesen hat, aber auch als ein Stück absurdes Theater und "großen, formal sehr anspruchsvollen Roman einer Befreiung durch die Sprache". Von der Fassung in hölzerne Parteiprosa - "eine gnadenlose Autopsie des Parteijargons" - über die szenische Prosa ("revolutionäre Textzellen voller Poesie") der Biografie eines Menschen, "der sein ganzes Denken und Handeln erst dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer und dann gegen die Regierungsarmee gewidmet hat", bis zur völligen Loslösung aller (auch der syntaktischen) Hierarchien, verfolgt Maus die "komplex verwobene Erzählung" über die vernichtende Gewalt der Ideologien - und ist am Ende befreit.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2001

Rudolf Walter findet "Die Kiste" von Aris Alexandrou spannend und unter literarischen Aspekten durchaus empfehlenswert, er bedauert jedoch, dass der Leser wenig konkrete Informationen über den Verlauf des Bürgerkriegs in Griechenland erhalte. Die Handlung des Buches sei vielmehr eine Parabel, die den historisch-politischen und den sozial-psychologischen Kontext "hochgradig stilisiert" wirken lasse. Dennoch hebt der Rezensent die sprachliche Realisierung "des sinnlosen Opferns von Menschenleben im Namen eines sinnlosen Parteiauftrages" lobend hervor. In einer "nüchternen, nahezu kalten Sprache" und mit "kühler Distanz", durch die sich die Personen in Instrumente zu verwandeln scheinen, komme die Grausamkeit der Erzählhandlung eindrucksvoll zum Ausdruck, findet Walther. Positiv wertet er schließlich auch, dass wenigstens ein kurzes Nachwort des Übersetzers Gerhard Blümlein den Leser über den historischen Kontext, die aufeinanderfolgenden Besetzungen Griechenlands, informiert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.10.2001

Den Roman "Die Kiste" des griechischen Lyrikers und Übersetzers Aris Alexandrous zählt Dorothea Trottenberg zu den großen Entdeckungen des Bücherherbstes. Der 1974 in Athen erschienene Roman, nun erstmals auf deutsch vorgelegt, thematisiert den "Widerstand und Bürgerkrieg im Griechenland der 40er Jahre, mit kritischem Blick auf die kommunistisch gelenkte Partisanenbewegung", erzählt sie. Hauptfigur ist ein 28-jähriger Widerstandskämpfer, der sich 1949, kurz nach Ende des Bürgerkriegs, in Isolationshaft befindet und minutiös die Ereignisse rekapituliert. Die "Mission Kiste", die der Demokratischen Armee zum Sieg verhelfen soll, wird vereitelt, in ideologischer Verblendung lassen vierzig Partisanen sinnlos ihr Leben, so die Rezensentin. Sie verweist darauf, dass sich hinter der realistischen Ebene surreale und groteske Elemente verbergen, so dass der Roman nicht als einfacher Bericht einer militärischen Operation zu lesen sei, sondern als "Allegorie wie Bilanz einer Epoche", die den "hintergründigen Schrecken eines Systems" entlarve.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Dorothea Dieckmann ist ziemlich beeindruckt von diesem Roman über den Prozess gegen einen Partisanen aus dem Bürgerkrieg. Und sie findet die Wendung, die diese aus Verrat, Unterwerfung, Gehorsam und Lügen bestehende Geschichte nimmt, gleichzeitig entlarvend und bestechend. Eine Mission, die ein Partisane übernimmt, entpuppt sich als Liquidationsmaßnahme: "Was bleibt, ist der Subtext, in dem sich ein durch Kadavergehorsam und bedingungslose Unterwerfung entmenschter Mitläufer selbst richtet". Die Antwort auf die Frage nach der Schuld in dieser Geschichte, ist für sie ebenso "hermetisch wie allegorisch". Lediglich mit der Übersetzung ist Diekmann unzufrieden: Die findet sie nämlich "stellenweise leider äußerst ungelenk".