Benjamin Lebert

Der Vogel ist ein Rabe

Roman
Cover: Der Vogel ist ein Rabe
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2003
ISBN 9783462033366
Taschenbuch, 127 Seiten, 9,90 EUR

Klappentext

Auf einer Zugfahrt von München nach Berlin werden Paul und Henry, beide Anfang zwanzig, für die Dauer einer Nacht zu Weggefährten. Aufmerksam lauscht der Ich-Erzähler Paul den Worten Henrys, der in leuchtenden Farben von Freundschaft und Liebe erzählt - und der Erfahrung, beides verloren zu haben. Und während Henry immer freier und ungezwungener wird und seinen Erinnerungen ihren Lauf lässt, hört Paul nur zu und schweigt. Er erzählt nicht von der Sehnsucht, woanders und wer anders sein zu wollen, nicht von der Art, wie Menschen ihren Regenschirm aufspannen. Und nicht von Mandy. Aber mehr und mehr holt ihn, während er den Worten Henrys lauscht, seine eigene Geschichte ein...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.10.2003

Elke Buhr ist sichtlich beeindruckt von Benjamin Leberts zweitem Buch - nicht nur, weil damit "aus dem bestaunten Wunderkind ein echter Schriftsteller" geworden ist. Ebenso angetan hat es ihr die "Drastik der Symptome", mit der Lebert die Leiden seiner beiden Jungmänner beschreibt. Mit jugendlicher Hipness und dem Hype, der gehetzt von den Aufregungen der Großstadt berichtet, hat das Buch in den Augen der Rezensentin überhaupt nichts zu tun: "Benjamin Leberts Sätze transportieren vielmehr die Kurzatmigkeit der Melancholie". Da steckt in der Wahrnehmung von Buhr mehr drin als das subjektive Leiden an der Welt. Sie verortet eine "ausgewachsene Kulturkritik mitsamt Moral". Nur mit dem Ende ist sie nicht ganz zufrieden: "So authentisch das Leiden der jungen Männer wirkt, so konstruiert wirkt die Pointe." Da sieht sie angesichts des Mordes an einer Prostituierten sogar Edgar Allen Poes "ästhetisches Programm für die einsamen Jungs der MTV-Ära" aufbereitet.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2003

Ein "wenig verdünnter Hermann-Hesse-Weltschmerz" und "ein Schuss Softporno", mehr brauche es nicht für eine "heimelig-gruselige und mutmaßlich gut verkäufliche KiWi-Lektüre", hadert Martin Krumbholz. Benjamin Lebert greife "das große Problem mit den Mädchen", das seinem Debütroman "Cracy" einigen Erfolg bescherte, erneut auf, ohne erkennbare Fortschritte zu erzielen. Zwei "Früchtchen" wie sie unterschiedlicher nicht sein können, Paul und Henry, teilen sich ein Abteil im Nachtzug von München nach Berlin und erörtern besagtes Problem. Selbstredend darf dabei jeder der beiden Protagonisten auch eine eigene Sexszene zum Besten geben, "bei deren pastoser Ausarbeitung dem Autor ungezählte Triebdurchbrüche widerfahren sein müssen", wie der Rezensent mutmaßt. Die Lösung des Problems sei im übrigen "auf enttäuschend uncoole Art gelöst".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.09.2003

Kristina Maidt-Zinke kommt der Ton, den der Autor in seinem Roman anschlägt, irgendwie bekannt vor. Einerseits fühlt sie sich durch die ?kurzatmigen, schicksalsschweren Sätze" an die Dialoge der Krimiserie ?Derrick" erinnert. Und die sind zwar ziemlich komisch, von Lebert allerdings ?todernst" gemeint, so die Rezensentin kritisch. Auch Anklänge an Rilke findet sie in der Geschichte, in der alles, von Berlin und München, Freundschaft, Sex und Trennung, bis ?Gott und die Welt" drinsteckt, wie Maidt-Zinke spöttisch zusammenfasst. Eine ?traurige Geschichte", dabei ?hochdramatisch", aber eben auch unfreiwillig komisch, meint die Rezensentin, die insbesondere mit den Anflügen von ?Küchenphilosophie", die immer wieder in den Text einfließt, nicht viel anfangen kann. Dennoch, so glaubt sie, werden sich Lehrer über dieses ?pädagogisch wertvolle" Buch aus dem Herzen der Jugendkultur freuen und es begeistert in ihren Unterricht einbauen, auch wenn die Rezensentin enttäuscht ist, dass nichts von dem ?rauen Charme des Authentischen", der ihr am ersten Roman Leberts gefallen hat, mehr vorhanden ist.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.08.2003

"Er ist hübsch, traurig, blond und berühmt". So beginnt Monika Osberghaus ihre zwar nicht durchweg positive, aber von der Lektüre durchaus inspirierte Kritik über den neuen Roman des einst als jugendlichen Helden gefeierten Autors. Im Vergleich zu "Crazy" sei das Buch weniger zornig, merkt Osberhaus an. Dafür spielt die Sehnsucht eine Hauptrolle. Osberghaus schildert die Grundkonstellation des Romans, der das Gespräch zweier Freunde auf einer Zugfahrt nach Berlin wiedergibt. Dabei "flieht der eine aus der Liebesverstrickung, der andere kehrt zurück zu seinem Unglück". Und beide lieben die gleiche: die magersüchtige Christine. Die Gepräche der beiden Freunde erscheinen der Rezensentin manchmal allzu lebensweise und altklug, und doch billigt sie Lebert großes schriftstellerisches Talent zu. Er kann Sex beschreiben, immerhin, "nah, hingerissen, atemlos". Und neben "Schwafelstrecken", die "passagenweise recht enervierend" wirken, findet sie knappe und flüchtige Beschreibungen, die für sie die Lektüre allemal lohnen. Sehr charmant das Kompliment, mit dem sie ihre Rezension schließt: "Man sollte Benjamin Leberts neuen Roman in den Serviceabteilungen der ICE-Züge anbieten, denn wenn man ihn liest, während man zum Beispiel nach Berlin fährt, sind die Stunden nicht verloren."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.08.2003

An guten Tagen wisse man, meint Henning Kober, dass nicht die Berechnenden, sondern "die, die lieben, die Stars sind", und feiert Lebert als solchen. "Gift" sei sein neues, dünnes, "in zwei Stunden" lesbares Büchlein, dessen Sätze einen "auf einen Trip durch die Finsternis" führen und "tiefe Schnitte ins Herz" setzen würden. Kober hält Leberts zweiten Roman aber vor allem für eine gelungene Rache an allen, vor allem an den "Deutschlehrern", die Lebert nach "Crazy" ins Herz geschlossen hatten. Nun also nutze Lebert die literaturmarktbedingte Gewissheit, dass sie alle nun auch diesen zweiten Roman lesen werden, "egal, was darin steht", um sie mit Düsterstem und recht Beängstigendem zu konfrontieren. "Mutig, kühn und frech" findet es Kober jedenfalls, "ein Buch für den Massenmarkt mit dreckigen Sätzen übers Scheißen, Kotzen, Bluten und Wichsen zu füllen. Jetzt all die 'Crazy'-Deutschlehrer und Frau Literaturpäpstin Elke Heidenreich zu zwingen, solche Sätze zu lesen, ist groß und verdammt cool." Es fragt sich nur, ob man nicht bloß wiederholt , was der Rezensent so an den "Deutschlehrern" verachtet, wenn man in seiner Rezension, wie Kober, an Lebert dann auch noch einen Satz richtet wie diesen: "Dafür einen lieben Schlag auf die Schultern."
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