Brigitte Kronauer

Das Schöne, Schäbige, Schwankende

Romangeschichten
Cover: Das Schöne, Schäbige, Schwankende
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2019
ISBN 9783608964127
Gebunden, 596 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

 Ein Haus im Wald mit blauen Schlagläden. An den Wänden Schautafeln, über und über mit Vögeln bedeckt, im lichten Geäst der Stämme Vogelgezwitscher. Der Schriftstellerin, die vorübergehend im Haus des Ornithologen lebt, will mit ihrem Roman nicht recht vorankommen. Stattdessen drängen sich ihr die Vögel des Waldes auf, und bald schon schälen sich aus ihnen die Gesichter von Freunden und deren Geschichten: die Schönen, die Schäbigen und die Schwankenden. Unbehelligt verfasst sie eine Geschichte nach der anderen, bis es eines Nachts an die blauen Schlagläden klopft und der Ornithologe sein Haus zurückfordert.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 30.08.2019

Rezensent Jörg Plath empfiehlt Brigitte Kronauers "Romangeschichten", auch wenn die Autorin nicht in allen der hier versammelten Geschichten die von ihr gewohnte elegante Leichtigkeit bieten kann, wie der Rezensent einräumt. Die 39 Porträts von Menschen, die sich in ihrem Leben mit einer dramatischen Wendung konfrontiert sehen, bringen Plath ganz schön ins Schwitzen mit einer nicht sehr vertrauenswürdigen Erzählerin und anderen Irritationen, wie dem etwas schwerfälligen Anhang zu den Porträts. Insgesamt aber begeistern Plath Kronauers genaue Wahrnehmung und ihr den Leser fordernder "quecksilbriger" Stil.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.08.2019

Judith von Sternburg ist überglücklich über dieses letzte Buch, das Brigitte Kronauer kurz vor ihrem Tod fertig gestellt hat. Es ist alles andere als ein abschließendes Werk, stellt Sternburg klar, vielmehr eine Aufforderung, sich immer weiter durch das Werk dieser bürgerlichen Hamburgerin zu lesen. Die Kritikerin bekommt alles, was sie an Kronauer schätzt: einen Übermut, der an Überkandidelte grenzt, dabei aber nie über die Klugheit und Schärfe seiner Beobachtungen hinwegtäuscht; Sätze von solcher Heiterkeit, für die andere sich blamieren würden, und schließlich eine selbstironische Geschichte über eine gutmütige Schriftstellerin, der man Plot-Schwäche vorwirft und die prompt wieder an ihrem Romanprojekt scheitert und deshalb eine Novellensammlung mit 39 grandiosen Porträts vorlegt. Und dann lernt Sternburg auch noch, dass Mitleid und gutes Benehmen wichtig sind, wenn auch nicht unbedingt "gesellige Manierlichkeit".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 26.08.2019

Michael Schmitt liest Brigitte Kronauers "Romangeschichten" als Vermächtnis der Autorin. Zu entdecken sind darin für den Leser laut Schmitt allerhand Verspieltheiten und Irritationen, etwa, wenn die Figuren ein Eigenleben zu entwickeln scheinen und wild durcheinanderreden. Kronauers nüchterne Figurenporträts kennen keine sozialen Grenzen, spannen einen weiten Bogen über Milieus und Schichten, drehen sich um Kunst und Alltag, erklärt Schmitt. Dass die Autorin dabei keine ihrer Gestalten verrät oder vorführt, gefällt dem Rezensenten ebenso wie der Umstand, dass stets ein echtes Individuum mit überraschenden Fähigkeiten und Einsichten vor den Augen des Lesers entsteht. Das gilt laut Schmitt auch für die beiden umfangreicheren Lebensgeschichten im Zentrum des Buches, die sich um ein Familienleben bzw. um das Lebensende eines Kunstliebhabers im Nachkriegsdeutschland drehen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.08.2019

Trotz ihrer anfangs formulierten Skepsis und sogar Wut gegen die allenthalben vorherrschende Vogelbegeisterung ("Jonathan Franzen labert uns seit Menschengedenken mit seinem Nerd-Hobby, der Vogelbeobachtung, zu") zeigt sich Juliane Liebert dann doch sehr begeistert von Kronauers Text und dessen Benennung als "Romangeschichten" als einer Art neuer Genrebezeichnung. Es stecke viel Spöttisches und Parodistisches in diesen vielen biografischen Porträts voller  Vogel- und Flugmetaphern. Das Glänzende am Leben der Erfolgreichen und "Schönen" wird von Kronauer ebenso auf die Spitze getrieben wie das Scheitern und Verwelken am Ende des Lebens oder der Geschichte. Immer leite die Autorin zudem eine tiefe Einsicht in die notwendige "Künstlichkeit" des Geschriebenen. Die sich dem Schreiben selbst widmenden Kapitel - immerhin ist die Hauptfigur ja Schriftstellerin - hat die sorgfältige Rezensentin mit ebenso großer Aufmerksamkeit und vielleicht größerer, wenn auch stillerer Freude gelesen. So gefallen ihr am Ende das "schnörkellose Erzählen" aus der Kindheit und die Betrachtung des Isenheimer Altars durch einen alten Literaturprofessor noch besser als die sprühende Wortakrobatik der vorausgehenden Porträts.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.08.2019

Insa Wilke schätzt an Brigitte Kronauers schlanken Geschichten vor allem den satirisch humorvollen und zugleich galanten Blick auf Gesten, das Unscheinbare und Gewöhnliche. Wie die Autorin mit leichter Hand die Hybris der Kunstszene entlarvt oder einen Gärtner porträtiert, wie sie novellenartig Unerhörtes stehenlässt, findet Wilke meisterlich. Die die einzelnen Episoden im Band verbindende Erzählerin, Kronauers Alter Ego Charlotte, führt Wilke charmant durch die Welten der kürzlich verstorbenen Autorin. Für  die Rezensentin ein lesenswertes Vermächtnis.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2019

Wohlwollend und respektvoll bespricht Rezensent Tilman Spreckelsen den posthum erschienenen letzten Roman der Autorin. Er setzt ein mit der Nacherzählung über eine "Betrogene", die sich noch einmal begehrt gefühlt hatte, dann aber einfach nur beklaut wird, erzählt er. Überhaupt finden die insgesamt 39 Menschenporträts, die sich der Schriftstellerin Charlotte durch die Vogelbilder ihrer temporär-ornithologischen Umgebung aufdrängen, beim Rezensenten mehr Aufmerksamkeit als jene Romankapitel, die sich mit der Problematik des Schreibens selbst beschäftigen. Für den eher nüchtern als begeistert berichtenden Spreckelsen geht es hier um "Teilhabe und Außenseitertum" - sowohl in den biografischen Erzählungen als auch in der Arbeit der porträtierten Schriftstellerin selbst. Die Vogelwelt, so scheint es, ist offenbar nur schmückendes Beiwerk.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.08.2019

Paul Jandl widmet sich mit Hochachtung für die kürzlich verstorbene Autorin den "Miniaturromanen" von Brigitte Kronauer. Da kippt die Bedrohtheit durch den Tod immer wieder ins Schwelgen in der Schönheit des Daseins, meint er. In den lose verknüpften Geschichten über alte Paaren und einsame Alten, über Krisen und Trennungen und "Literaturbetriebsschnepfen" kommt laut Jandl Kronauers "metaphysischer Ästhetizismus" zur Geltung: Wie die Autorin die Kippmomente scharfstellt, wenn Moral bequem, schäbig wird, findet Jandl schlicht großartig.