Burkhard Spinnen

Der schwarze Grat

Die Geschichte des mittelständischen Unternehmers Walter Lindenmaier aus Laupheim
Cover: Der schwarze Grat
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783895610370
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

"Der schwarze Grat" ist das Porträt eines ebenso außergewöhnlichen wie typischen Vertreters einer im Grunde unbekannten Spezies. Den Fabrikbesitzer Walter Lindenmaier aus Laupheim kennt die Öffentlichkeit bislang so wenig wie die Literatur den mittelständischen Unternehmer, von dem gerade heute wieder das Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft abhängen soll. Der Unternehmer verschwindet in Deutschland vielmehr hinter uralten Vorurteilen, sein Image setzt sich aus wenigen holzschnittartigen Klischees zusammen. "Der schwarze Grat" aber stößt die Tür auf in ein authentisches Unternehmer-Leben und in eine real existierende Firma. Dabei geht es um deren manchmal spektakuläres Auf und Ab, es geht um die sehr individuelle und hochgradig spannende Geschichte eines Familienunternehmens. Zugleich erscheint darin die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik von ihren Anfängen zwischen Kriegstrümmern bis zu ihrer Gegenwart unter dem Damoklesschwert der Globalisierung.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.08.2003

Katharin Döbler ist froh, dass sich der schwäbische Mittelstandsunternehmer Lindenmaier und der Schriftsteller Spinnen getroffen haben. Aus dieser "denkwürdigen Begegnung zwischen Literatur und Maschinenbau" sei ein "fesselnder" und "einfühlsamer" Bericht entstanden, der weit mehr als nur das Leben des Unternehmers erzählt. Vielmehr erfahre man aus der Lektüre auch einiges über die Entstehung von Literatur: wie der journalistisch vorgehende, mit Interviews und Recherche arbeitende Spinnen aus den Erzählungen des Unternehmers einen dokumentarischen Roman destilliert, unter großzügiger Verwendung der eigenen Stimme im Kopf. Dank dieser letzten Zutat lese sich die Biografie eines schwäbsichen Mittelständlers mit mehr als Energie als Geschick "phasenweise wie ein historischer Roman über einen Duodezfürsten".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.06.2003

Ansgar Warner ist recht beeindruckt von Burkard Spinnens Biografie des mittelständischen schwäbischen Unternehmers Walter Lindenmaier. Seine Rezension des Buches verbindet er mit einem Porträt des Autors. Das Buch funktioniert in Warners Augen vor allem, weil es einerseits unglaublich authentisch wirkt, zum Beispiel wenn Spinnen in den biografischen Passagen "kommentarlos den Erzählgestus Lindenmaiers nachahmt" - kein Problem, da er sich dessen Lebensgeschichte auf Tonband erzählen ließ. Andererseits baut Spinnen immer wieder Brechungen ein, eine "Metabiografie", mit der er seine Treffen mit Lindenmaier reflektiert, den er ursprünglich auf einer Hochzeit kennen gelernt hat. Das Beeindruckende für Ansgar Warner ist, wie nah diese Biografie an der Realität ist: "Auch wenn es einem nicht passt, was man da erzählt bekommt - so war es eben." Und er stellt fest, dass die Überraschung darüber Ausdrucke eines Mangels ist, weil "uns mit dem fortgesetzten literarischen Ausblenden der ökonomischen Sphäre ein entscheidender Teil der Lebenswirklichkeit entgangen ist".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.05.2003

Kein gutes Haar lässt Stephan Maus an Burkhard Spinnens Geschichte von Walter Lindenmaier. Sein zentraler Kritikpunkt: Spinnen macht sich zum PR-Referenten, ja zum "unkritischen Hofschreiber" des schwäbischen Metallunternehmens. Naivität, Distanz- und Kritiklosigkeit gegenüber der Wirtschaft kennzeichnen Maus zufolge Spinnens Wirtschaftschronik. Dabei gerät seine Prosa so "flach, banal und naiv wie eine zusammengestoppelte Jubiläumsfestschrift eines mittelständischen Unternehmens", höhnt Maus. Der Stil schwanke zwischen "lax und salopp" und "banal und abgegriffen". Ziemlich genervt haben Maus auch die Schriftstellererfahrungen und die Vorliebe für Bauernweisheiten, die Spinnen großzügig einfließen lässt. Mit seiner Entscheidung, Burkhard Spinnen die Geschichte seines Unternehmens schreiben zu lassen, hat sich Walter Lindenmaier nach Ansicht des Rezensenten kräftig verkalkuliert. Was Maus durchaus bedauerlich findet. Indes sei die Geschichte von Lindenmaiers Karriere so erstaunlich und so stark, "dass sie selbst durch Spinnens enttäuschende Bearbeitung noch hindurchleuchtet und fasziniert".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.04.2003

Ein ungewöhnliches Unterfangen ist es nach des Rezensenten Thomas Steinfelds Meinung allemal, das der Schriftsteller Burkhard Spinnen hier verfolgt. Der etablierte Schriftsteller hat eine Biografie eines mittelständischen Unternehmers geschrieben, und unter eigenem Namen veröffentlicht. Neben dem Effekt, dass man eine Menge über "die innere und äußere Ökonomie eines mittelständischen Unternehmens" und über die Abhängigkeiten eines solchen Unternehmers erfährt, entdeckt Steinfeld noch eine ganz Ebene in der Geschichte: es "offenbart sich darin ein sehr zeitgemäßer, auf den jüngsten Stand gebrachter Historismus, dem es vor allem um den biografischen Zufall als der eigentlich lebensentscheidenden Instanz zu tun ist." Auch verschwimmen nach Meinung des Rezensenten die Zuschreibungen gegenüber dem frei und ungebunden scheinenden Schriftsteller und dem Unternehmer, der beim Rezensenten viel stärker einen solchen Eindruck hinterlässt: "Ungesichert, frei, ganz dem Augenblick ausgeliefert ... gegen die öffentliche Meinung lebend". Dementsprechend lautet sein Fazit: "So betrachtet, als indirekte Offenlegung der Verhältnisse, ist der schwarze Grat ein beinahe mutiges Buch."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.03.2003

Nach der "hilflosen Gesinnungsprosa" der Verfechter des Klassenkampfes hat man sich "peinlich berührt" von der wirtschaftlichen Realität abgewandt, erklärt der Rezensent Michael Braun. In einer "klassischen Auftragsarbeit" habe nun Burkhard Spinnen, nach anfänglichem Zögern, die Herausforderung angenommen, die wahre und wundersame Geschichte eines schwäbischen Unternehmers aufzuschreiben, dessen Unternehmen nur durch ungeheure "Zufälle" dem Konkurs entging. Und Spinnens Buch, lobt Braun, ist "ein Glücksfall für die Gegenwartsliteratur", weil es vieles zugleich sei: eine "Faktografie eines mittelständischen Unternehmens", eine "aufregende Fallstudie über den 'stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse'", eine Familiengeschichte und nicht zuletzt ein "aufschlussreiches Experiment zur Erzählbarkeit einer Biografie". Die größte Herausforderung besteht allerdings für den Rezensenten im Vermeiden einer allzu "heroisierenden" Darstellung. Spinnen habe darauf insofern geantwortet, als er versucht habe, "das Material sprechen zu lassen". Der literarischen Verarbeitung bleibe da nur wenig Raum, den Spinnen allerdings geschickt ausnutze, indem er zum Beispiel einen knapp vermiedenen Flugzeugabsturz zum "Symbol" mache. Spinnens Erzähler jedoch, so Braun, schwört sich durchgehend auf die Rolle des "neutralen Chronisten" ein, der keine literarischen Ansprüche hegt. Spinnens Eigenaussagen allerdings lassen von dieser Bescheidenheit nichts erkennen, stellt der Rezensent schließlich fest, ohne weiteren Kommentar.