Reinhard Kaiser

Unerhörte Rettung

Die Suche nach Edwin Geist
Cover: Unerhörte Rettung
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783895610653
Gebunden, 359 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Mit Fotos und Noten-Faksimile. Im Dezember 1942 wird in der litauischen Stadt Kaunas ein nach Nazi-Kategorien "halbjüdischer", aus Berlin stammender Komponist ermordet, Edwin Geist. In Deutschland hatte ihm die für seine Kunst zuständige Behörde das Komponieren verboten, und so war er 1938 nach Litauen gegangen - eine seltene Erscheinung, ein glücklicher Emigrant. Denn in Kaunas findet er nicht nur Zuflucht und neue Arbeitsmöglichkeiten, sondern auch die Frau, in die er sich verliebt und die er 1939 heiratet, Lyda. Wer war dieser Geist, dem es, als die Deutschen in Litauen den Judenmord zu organisieren begannen, nicht nur gelang, dem Ghetto wieder zu entkommen, der es vielmehr auch fertigbrachte, seine über alles geliebte jüdische Frau mit legalen Mitteln aus dem Ghetto zu befreien? Reinhard Kaiser hat sich auf die Suche nach Spuren des Komponisten Geist gemacht - in Deutschland, in Litauen und in der Schweiz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2004

Der Komponist Edwin Geist ist hierzulande kaum bekannt, und wenn, dann nur als Figur eines Theaterstücks namens "Das Kainsmal", das Rezensent Tilman Spreckelsen als rührseliges Opus des Widerstands bezeichnet. Das Theaterstück wiederum basierte, erläutert Spreckelsen die Vorgeschichte zu Kaisers Buch, zu Teilen auf den Tagebüchern von Geist, die in erzwungener Trennung von seiner jüdischen Frau entstanden, als Geist das Getto von Kaunas in Litauen zeitweise verlassen musste. 1942 wurde er ermordet. Warum und wie Geist von den Sowjets zur Widerstands-Ikone stilisiert wurde, hat nun der Frankfurter Journalist Reinhard Kaiser recherchiert. Bezeichnend dafür ist wohl eine Begebenheit, die Spreckelsen aus dem Buch berichtet. Ein DDR-Journalist hatte 1972 das Schicksal Geists recherchiert und eine wichtige Zeitzeugin aufgetrieben, seine Geschichte aber nie veröffentlicht. Der Grund dafür war, dass Geist als von den Nazis so bezeichneter "Mischling ersten Grades" den gelben Stern tragen musste und die Tatsache seines Jüdischseins den Sowjets peinlich war. Kaiser habe die gleiche Zeitzeugin interviewt, so Spreckseln, und überhaupt akribische Arbeit geleistet. Das große Manko des Buches sei allerdings, dass er sich zwar ausgiebig mit Geists kompositorischen Ansichten auseinandersetze, die Musik des Komponisten jedoch nicht direkt berücksichtige.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.06.2004

Es gibt eine lange, traurige Vorgeschichte zu diesem Buch, die Volker Breidecker kurz zusammenfasst: Reinhard Kaiser hatte vor wenigen Jahren die sechs Jahrzehnte alten Erinnerungen von Helene Holzman, einer in den 20er Jahren nach Litauen emigrierten Jüdin, an die "Schreckensjahre" 1941 bis 1944 herausgegeben. Darin stand eine ergreifende, fürchterliche Geschichte: die von Edwin Geist, einem aus Berlin stammenden Komponisten, und seiner Frau, der Pianistin Lyda Bagrianskyte, die das Ghetto von Kaunas zunächst überlebten, die "in der Überzeugung, dass die Liebe Berge versetzen und selbst Henker milde stimmen könne", ihr Glück genießen wollten, das nicht lange währte: Geist wurde erschossen, und seine Frau brachte sich um. Nun hat sich Kaiser auf die Suche nach Spuren von Geist begeben, hat Archive aufgesucht und Zeitzeugen befragt, um zunächst einmal festzustellen: Die Ausmerzung "jüdischer Erzeugnisse" war den Nazis im Falle von Geist gelungen. Trotzdem, so Breidecker, erzählt der Autor auch mit Hilfe von Geists Tagebüchern (die der litauische Verlag Baltos Lankos auf Deutsch herausgegeben hat) eine Geschichte "von atemberaubender Spannung", und findet für sie einen "nüchternen, nachdenklichen Ton", mit dem er jederzeit der Gefahr entgeht, "dem beinahe unglaublichen Stoff und seinen Protagonisten noch durch romanhafte Gestaltungsmittel zuzusetzen". Edwin Geist war ein Künstler, der das Musiktheater umwälzen wollte, und er wähnte einen Schutzengel an seiner Seite. Dieses Buch erzählt davon, dass damals keine Schutzengel halfen.
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