Catherine Gore

Der Geldverleiher

Ein viktorianischer Roman
Cover: Der Geldverleiher
Die Andere Bibliothek, Berlin 2021
ISBN 9783847704416
Gebunden, 472 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Theodor Fontane. Ein verblüffender Fund: Der junge Theodor Fontane entdeckt die viktorianische Erfolgsautorin Catherine Gore - Fontanes Übersetzung zeigt den werdenden Romancier. Mit einer erstaunlichen Sprach- und Stilsicherheit hat der Apotheker-Gehilfe Fontane im Jahr 1842 die realistisch-lebendige, figurenreiche und auf Unterhaltung zielende Erzählweise von Catherine Gore ins Deutsche übertragen. Englands High Society finanziert in den 1820er-Jahren nach dem Sieg über das napoleonische Frankreich den Rausch von Luxus, Spiel und Verschwendung ganz zeitgenössisch: mit Krediten. Auch der junge Leutnant Basil Annesley aus verarmtem Adel wählt den Weg in Londons dunkle Straßen zum verrufenen Geldverleiher, hinter dessen Kürzel A. O. sich der Name Abednego Olizar verbirgt - der Sohn einer konvertierten jüdischen Familie aus dem spanischen Cádiz. Die 300 geliehenen Pfund sollen aber nicht dem Vergnügen dienen, sondern Basils verarmtem Heidelberger Künstlerfreund Verelst aushelfen, der mit seiner Frau und den beiden Töchtern Esther und Salome als politischer Flüchtling in London haust.Der junge Leutnant aus dem königlichen Garderegiment entdeckt ein seltsames Doppelleben und entwickelt Sympathie für die zwielichtige Figur: A. O. ist nicht nur die letzte Kreditinstanz der Londoner High Society, sondern auch ein hochgebildeter und mehrsprachiger Bankier, der in internationalen Finanz- und Diplomatenkreisen verkehrt, dort, wo "das Geld den erhabneren Namen 'Kapital' führt." Seiner jüdischen Herkunft wegen wurde er zum diskriminierten Außenseiter der snobistischen englischen Oberschicht; seine künftigen Schuldner haben ihn erst zum Geldverleiher gemacht - mit Reichtum und Maskerade rächt er sich für das begangene Unrecht.Catherine Gore beschreibt mit drastischem Realismus, spannend wie in einer kriminalistischen Handlung und aus tiefer Kenntnis die Gesellschafts- und Finanzwelt im viktorianischen England. Sie porträtiert in einer dramatischen Handlung das Sittenbild eines Zeitalters: voller Ständedünkel und antijüdischer Vorurteile.Die Zeitgenossin Emily Brontë ließ sich von Catherine Gores Beschreibungs- und Beobachtungskunst inspirieren, Charles Dickens schrieb zur gleichen Zeit seine großen Sozial- und Gesellschaftsromane, und die berühmten französischen Feuilletonromane von Alexandre Dumas, Honoré de Balzac und Eugène Sue lassen eine tiefe Verwandtschaft erkennen.Theodor Fontane (1819-1898), der große Klassiker des bürgerlichen Realismus in der deutschen Literatur, ist der Erste, der Catherine Gore ins Deutsche übersetzt hat. Seine Übertragung stammt aus den Jahren seiner Apotheker-Gehilfenzeit in Leipzig und Dresden 1842/43, als er in den Leipziger radikaldemokratischen Kreisen des sogenannten "Herwegh-Klubs" verkehrte, in dessen Literaturzeitschrift er veröffentlichte und die Entwicklungen der britischen Literatur aufmerksam verfolgte. Fontanes erstes Interesse galt in dieser Zeit dem britischen Gesellschaftsroman - und auch dem grassierenden Antisemitismus.In seiner Alters-Autobiographie von 1895 - Von Zwanzig bis Dreißig - hält er fest, um was für "eine sehr gute Erzählung" es sich gehandelt habe und dass die Übersetzung ohne sein Wissen in einer der kurzlebigen Literaturzeitschriften erschienen sei - diese Veröffentlichung harrt bis heute der Entdeckung. Theodor Fontanes Manuskript hingegen ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Auf der Grundlage des wiederentdeckten Typoskripts hat Iwan-Michelangelo D'Aprile unseren Band Der Geldverleiher ediert - und damit zugleich ein vergessenes Stück viktorianischer Literatur und ein fehlendes Stück in Fontanes Gesamtwerk gehoben.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.02.2022

Rezensentin Maike Albath schwärmt für Catherine Gores grandios unterhaltsamen Roman über einen Geldverleiher und seine Kundschaft und alles, was das viktorianische London im Innern zusammenhält: Schulden. Wie scharfsinnig die Autorin das Soziale und die dekadente Oberschicht erfasst, wie sie dem Leser das Gefühl vermittelt auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, wie sie den Plot inszeniert, markante Figuren mit unterschiedlichen Sprachregistern erschafft, findet Albath lesenswert. Theodor Fontane fand es eine Übersetzung wert, und die ist laut Albath wiederum so kongenial, dass der berlinische Dialekt, den der Übersetzer einschmuggelt ("Langfingermacher") fast gar nicht auffällt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.02.2022

Rezensent Burkhard Müller erfreut diese späte Veröffentlichung eines Roman von Catherine Gore aus dem Jahr 1842 in der Übersetzung des jungen Theodor Fontane (!). Der melodramatische, wendungsreiche Plot um einen bösen Geldverleiher, der die englische Gesellschaft aufmischt und sich schließlich als Menschenfreund erweist, erscheint Müller zwar recht konventionell, bisweilen sentimental und bei den Figuren anämisch. Wie Gore die Sitten ihrer Zeit beschreibt und wie Fontane sich hier bereits früh und recht gekonnt in den Dialogen ausprobiert, findet Müller allerdings unterhaltsam.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.2021

Rezensent Jürgen Kaube hat die passende Weihnachtslektüre parat. Catherine Gores Roman liegt für ihn an der Schwelle von der Schauergeschichte zum Realismus. Von Fontane mit viel Icke übertragen macht Kaube das Buch richtig Freude. Zwar ist die Geschichte eines Kredithais, erzählt von einem Kunden für Kaube nichts Grundstürzendes. Wer gute Unterhaltung schätzt, viktorianisches Milieu (im Niedergang) und kaum überraschende Figuren, wer auch mit etwas Pathos leben kann, der soll das Buch unterm Weihnachtsbaum lesen oder verschenken, rät der Rezensent.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de