Christoph Geiser

Über Wasser

Passagen
Cover: Über Wasser
Ammann Verlag, Zürich 2003
ISBN 9783250600596
Gebunden, 314 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

"Für einmal den Kerker des Kopfes verlassen und schauen, was zur wirklichen Welt noch zu sagen bleibt." Mit Montaignes 'Essais' im Gepäck und Kafkas Amerika-Roman 'Der Verschollene' zur Hand macht sich der Erzähler als einziger Passagier auf zu einer Atlantik-Überfahrt per Schiff. Mal ist er Odysseus, dann Jonas, mal Domesthenes, bis er schließlich in einem Kellerloch des Big Apple landet und entdeckt: Kein gelobtes Land findet sich da, nur ein grotesktes Zerrbild von Calvins Utopia. als geläuterter Europäer flüchtet er abermals auf den Ozean hinaus und landet schließlich in Dresden, auf dem "Balkon Europas", wo die Werte der alten Welt noch so virulent sind wie eh und je.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.03.2004

Viele Autoren leben von Stipendium zu Stipendium und entsprechend lesen sich ihre Bücher wie Passagen-Werke, in denen der Ortswechsel, die Überfahrt, die Reise, der neue Ort selbst zum Thema gemacht werden. Das ganze hat einen Haken, bemerkt Jörg Magenau: die Autoren müssen schreiben, denn wer nicht schreibt, bekommt auch kein neues Stipendium. Christoph Geiser hatte in diesem Fall sogar zwei Stipendien, denen er nachgereist ist und deren Örtlichkeiten er in seinem Buch gegenüberstellt: New York und Dresden. Am stärksten findet Magenau die "Passagen", die tatsächlich "Über Wasser" spielen, d.h. auf der Schiffsreise nach New York entstanden sind. Denn im Falle Geisers, stellt Magenau kritisch fest, handele es sich um absolut "hermetische Reiseliteratur". Geiser habe kein Interesse daran, die Welt (und seine von den Stipendien diktierten Aufenthaltsorte) zu erkunden. Stattdessen gieße der Augtor einen endlosen monologischen Strom aus, betreibe ein "Sprachmaschinchen", das in "permanenter Munterkeitsbemühung" in Gang bleiben müsse und auf Magenau nur ermüdend wirkt. Formaler Wahn paare sich mit schlichten Beobachtungen, stöhnt der Rezensent und rafft sich zu dem vernichtenden Urteil auf, das ganze wirke, als habe sich Arno Schmidt "über misslungene Versuche von Robert Walser hergemacht".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.02.2004

Georges-Arthur Goldschmidt hat ganz schön was erlebt mit Christoph Geisers Buch: Er hat die Worte entkleidet gesehen, als bewegliche Körper, als Weltwunder - "Spracherlebnisse" eben, die das Wort über seinen Sinn hinaus ins wilde Spiel bringen. Doch von vorne: Der Erzähler begibt sich auf eine Reise nach Amerika und dann zurück nach Dresden - aber eigentliche auf eine "parodistische Selbsttour" - und taucht dabei ein in die Nebensächlichkeiten, die sonst beim Erzählen am Wegesrand liegen bleiben: "Das Auge spricht und sieht die Welt so sonderbar auf vielfältige, unerschöpfliche Weise verfehlt, und dabei steht immer ein fast aberwitziges Wortgeräusch zur Verfügung". Und das alles, beteuert Goldschmidt, ist so unfassbar witzig, dass es "einem vor Lachen kalt den Rücken hinunterläuft".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.01.2004

Sibylle Birrer stellt mit Befriedigung fest, dass der Autor Christoph Geiser, den sie mit seinem letzten Prosaband "Die Baumeister" schon in die Innerlichkeit entschwinden sah, nun mit diesem Band mit Erzählungen wieder auftaucht. Natürlich wird auch in diesem Buch, in dem sich ein Ich-Erzähler auf Reisen befindet, das "Außen" als "Reiz- und Projektionsfläche" für dass Innenleben des Protagonisten aufgefasst, erklärt die Rezensentin. Auf gewohnt radikale Weise entwickelt Geiser seine "sprachliche Musikalität, seine Rhythmisierung und artistische Sprunghaftigkeit" weiter, ohne sich aber wie im vorhergehenden Buch, ins allzu Künstliche, Überspannte zu verlieren, lobt Birrer. Die "Passagen" des Ich-Erzählers führen die Beschäftigung mit dem "Grundstoff" des Autors, nämlich dem spannungsreichen Verhältnis von "Wahrheit und Fiktion", weiter und stellen eine "anregende, wohltuende Zumutung" dar, so die Rezensentin.