Christoph Ransmayr

Atlas eines ängstlichen Mannes

Cover: Atlas eines ängstlichen Mannes
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012
ISBN 9783100629517
Gebunden, 455 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Ein großer erzählter Weltatlas. Der Atlas eines ängstlichen Mannes ist eine einzigartige, in siebzig Episoden durch Kontinente, Zeiten und Seelenlandschaften führende Erzählung. "Ich sah", so beginnt der Erzähler nach kurzen Atempausen immer wieder und führt sein Publikum an die fernsten und nächsten Orte dieser Erde: In den Schatten der Vulkane Javas, ins hocharktische Packeis, an die Stromschnellen von Mekong und Donau und über die Paßhöhen des Himalaya bis zu den entzauberten Inseln der Südsee. Wie Landkarten fügen sich dabei Episode um Episode zu einem Weltbuch, das in atemberaubenden Bildern Leben und Sterben, Glück und Schicksal der Menschen kartographiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.12.2012

Ein "Lebensbuch" sei das. Vierzig Jahre Reiseerfahrung hat Ransmayr hier verdichtet. Besprochen wird der Band in der SZ-Literaturbeilage vom Reiseautor Karl-Markus Gauß, der beurteilen kann, ob Ransmayrs Projekt geglückt ist. Es klingt ambitioniert: Siebzig Schilderungen von Begebenheiten aus den entlegensten Orten der Welt, stets beginnend mit der etwas hochtrabenden Formel "Ich sah...", die aus der Apokalypse des Johannes stammt und laut Gauß dem zuweilen leichten und heiteren Geschehen in Ransmayrs Aperçus reizvoll widerspricht. Manche der Erzählungen liest Gauß als "ungemein dichtes Textgewebe", andere scheinen ihm weniger gelungen, manchmal künstlich und nicht ganz glaubhaft, obwohl alle beanspruchen, auf wahren Begebenheiten zu beruhen. Gauß empfiehlt eine Lektüre in kleinen Portionen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.10.2012

Gisela von Wysocki weiß, dass der Begriff Atlas mehr bedeuten kann als Kartografie. Bei Gerhard Richter bedeutete er "rumliegendes Zeug", bei Christoph Ransmayr eher überbordender Reichtum. Ransmayr erzählt aus Japan, Island und Brasilien, jeder Ort sei mit einer eigenen Geschichte verbunden, in denen Ransmayr, wie Wysocki vorwarnt, recht "furchtlos mit dem Erhabenen Umgang pflegt" (allerdings eher auf Distanz zum Humor bleibt). Mal erlebt sie "wunderbare Losgelöstheit" oder hellen Zauber, mal die Rettung eines Hummers oder das schreckliche Ende eines Stiers. Doch etwas irritierend findet die Rezensentin, wie Ransmayr die Welt des Dichters und des Reporters aufeinanderprallen lässt. Denn anders als Chatwin oder Naipaul versuche er nicht, die beiden Sprachen zusammenzubringen, sondern wechsele zwischen ihnen abrupt hin und her. Von einer "literarischen Zerreißprobe" spricht Wysocki.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.10.2012

Weder Jets noch Internet können dem Erzählen dieses vielreisenden Autors etwas anhaben, versichert Andreas Breitenstein. Bis auf wenige Ausnahmen, wo die Dramaturgie den Text etwas zu forciert erscheinen lässt, ist Breitenstein tief gerührt von den hier zusammengefassten siebzig Episoden, die Christoph Ransmayr von den Lachswasserfällen Ontarios, vom Stierkampf in Sevilla, aus Kambodscha oder vom Ramschflohmarkt in Warschau sendet. Immer kann sich Breistenstein auf die Genauigkeit und den Seelengehalt der durch Langsamkeit und Ausrichtung am inneren Kompass des Autors unter Zuhilfenahme von Recherchen, Begegnungen, Mythen und Legenden entstehenden in sich geschlossenen und doch ein ganzes Welttheater ergebenden Geschichten verlassen. Fremdheit bekommt für den Rezensenten einen ganz neuen Klang, hat bei diesem Autor, wie er erklärt, nichts Exotisches an sich, kein Abenteurertum, sondern lebt vom Zögern und Zweifeln, vom Suchen und Bedenken des Autors und von einem Gespür sowohl für das Utopische wie für das Prekäre unserer Existenz.