Christoph Türcke

Erregte Gesellschaft

Philosophie der Sensation
Cover: Erregte Gesellschaft
C.H. Beck Verlag, München 2002
ISBN 9783406495212
Gebunden, 328 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Sensation bedeutete ursprünglich nichts anderes als "Wahrnehmung". Heute versteht man unter einer Sensation das, was die Wahrnehmung magnetisch auf sich zieht: das Spektakuläre. Was kein Aufsehen zu erregen vermag, wird kaum noch wahrgenommen. Esse est percipi - Sein ist Wahrgenommenwerden. Der Kampf ums Dasein wird in der Sensationsgesellschaft zum Kampf um Wahrnehmung. Christoph Türcke verfolgt in seinem grundlegenden philosophischen Werk den Wandel der Sensation zur Anschauungsform des modernen Menschen, zum Verhaltensmuster, zum Unruheherd einer ganzen Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.03.2003

Rezensentin Hannelore Schlaffer kann sich nicht wirklich für Christoph Türckes "Erregte Gesellschaft" erwärmen. Im wesentlichen sieht sie darin ein "Konglomerat" historischer Zitate und soziologischer Interpretationen des Begriffs "Sensation", die sich von der reinen Wahrnehmung zur Sensationssucht gewandelt habe. Als Philosoph verlangt Türcke seinem Leser nach Einschätzung Schlaffers einige Anstrengung ab. Wenn er dann aber die Überholung aller philosophischen und psychologischen Diskurse durch die Hirnforschung darstelle, erweise er sich als "Dilettant unter Dilettanten". Zu simpel und letztlich nicht überzeugend fällt für Schlaffers Geschmack seine Darstellung der schwierigen Sachverhalte um Neuronen und Zellkerne, Cortex und Neocortex aus. Schwerer noch wiegt ihr Vorwurf, dass das Material von Türckes kulturhistorischen Gesellschaftsanalysen nicht aus der sinnlichen Beobachtung, sondern "aus einer eklektizistischen Hortung von Angelesenem" stamme. "Am Klischee", so das entsprechend negative Urteil der Rezensentin, "kommen sie deshalb schwer vorbei, wie ja auch ihr Ziel, die vage Lust des Menschen am Pessimismus zu bestätigen und ihm sanfte Belehrung angedeihen zu lassen, nichts als ein modisches Unbehagen an der Unkultur formuliert".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2002

Dieses Buch über die Sensationslust der Gesellschaft geht, wie Cornelia Vismann referiert, davon aus, dass die Gesellschaft seit 1900 die ursprünglichen Traumatismen der menschlichen Natur so "erfolgreich kleingearbeitet" hat, dass sie künstliche Schocks schaffen muss, um sich ihrer selbst als Gesellschaft überhaupt noch gewiss zu sein. Vismann findet diese These einleuchtend, bemängelt aber, dass Türcke allzu sehr auf den Lektüren von Freud und Marx beruht und alles, was nach der Kritischen Theorie kommt, "beiseite schiebt". Zudem fühlt sie sich nach der Lektüre etwas "zurechtgewiesen", da sie ja selbst auch Teil der "erregten Gesellschaft" ist und sich einer "falschen Denkungsart" bezichtigt sieht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Christoph Türckes "Philosophie der Sensation" hat Rezensent Christian Schüle nicht wirklich überzeugt. Türcke sucht darin die Sensation körperlich zu fassen, als "sinnliches Erschütterungsprinzip", und vor einem theologischem Hintergrund zu deuten, erklärt Schüle. Wie er fortfährt, bildet ein auf den Kopf gestellter Cartesianismus - Ich fühle, also bin ich - den Ausgangspunkt der Arbeit. Mit der Feststellung, die Sensation sei der "Pulsschlag des gesamten sozialen Lebens" (Türcke), setze der Philosoph dann zu einer gesellschaftstheoretischen Würdigung des der Sensation an und rolle die Kulturgeschichte der Sensation auf. Was das mit Physiologie, mit Wahrnehmung zu tun hat, bleibt für Schüle nur erahnbar. Statt der Wahrnehmung mehr "ontologisches Gewicht" zu verleihen, strebe Türcke eine Wiederbelebung der Metaphysik an. Das mit "Spannung erwartete Schlüsselkapitel" über die "Physio-Theologische Sensation" (Türcke) erweist sich zur Enttäuschung des Rezensenten als "einzige, lähmende Freud-Exegese". Überhaupt beklagt der Kritiker die zunehmende Unübersichtlichkeit des Textes. Zudem blieben viele Fragen offen. Entgegen Türckes Ankündigung findet Schüle zur physiologische Komponente der Wahrnehmung außer einigen knappen Zeilen nichts. Er hält dem Buch jedoch zu Gute, die Sensation in den philosophischen Diskurs eingebracht zu haben.