Daniele Giglioli

Die Opferfalle

Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt
Cover: Die Opferfalle
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2015
ISBN 9783957571502
Kartoniert, 126 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Max Henninger. Gedenktag für die Opfer des Holocausts, Gedenken an die Bombardierung Dresdens, Gedenktag der Kriminalitätsopfer, Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, Tag der Wohnungslosen, Volkstrauertag: Die Liste der Opfergruppen und der öffentlich begangenen Gedenkstunden wird immer länger, und auch 'Täter' wollen nun 'Opfer' sein, wie im Historikerstreit zum ersten Mal deutlich wurde. Doch wie konnte es dazu kommen, dass solche grotesken Phänomene wie Opferstolz, Opferkonkurrenz und gar Opferneid um sich greifen?
Fernab aller Schlussstrichdebatten erörtert Daniele Giglioli, wie sich die Opferrolle in der gesellschaftlichen Diskussion zu einer politischen Trumpfkarte und entscheidenden Ressource gewandelt hat, mit der Identitätskollektive um Anerkennung und Reparationen kämpfen. Giglioli zeigt auf, welche fatale Dynamik eine Gesellschaft erfasst, die sich bald vollständig in Schuldige und Unschuldige teilt und in der das vergangene Leid erinnert werden muss.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 26.03.2016

Der italienische Literaturwissenschaftler Daniele Giglioli beschreibt in "Die Opferfalle" auf den Schultern der Poststrukturalisten den Diskurs des Opfers in der Gegenwart, erklärt Henryk M. Broder. Das Opfer zu sein ist keine rein nachteilige Rolle, weil es im gleichen Zuge von der eigenen Schuld zu befreien scheint, was für den Rezensenten am Beispiel der kollektiven Selbstabsolution der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg als Opfer der Diktatur leicht anschaulich wird. Leider führt Giglioli seine eigene Dekonstruktion des Opfer-Begriffs so weit, dass er Täter und Opfer letztendlich nicht mehr auseinander halten kann - selbst wo echte Unterschiede existieren und bedeutsam sind, bedauert Broder.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.01.2016

Angesichts der überall auftauchenden Opfer der Eliten empfiehlt Rezensent Jens Bisky den Essay des Literaturwissenschaftlers Daniele Giglioli. Zu lernen, meint er, ist hier, wie der Opferkult den Status quo erhält und Ressentiments begünstigt. Gigliolis Ritt durch die Geschichte des Opferdiskurses von Rousseau bis Theo van Gogh besticht laut Rezensent durch den Verzicht auf Stilisierungen - der Wahrheit oder des Guten etwa. Besonders spannend erscheint Bisky der Text, wenn der Autor Rollen der öffentlichen Rede und die Logik der Opferideologie auseinandernimmt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.01.2016

Einen sehr lesenswerten Essay hat Rezensent Gerd Schrader in Daniele Gigliolis neuem Buch "Die Opferfalle" gelesen. Mit besonderem Fokus auf die siebziger Jahre weise der Literaturwissenschaftler nach, wie imaginierte Hilflosigkeit und Opferideologie das Selbstverständnis der Gesellschaft bestimmte, informiert der Kritiker, der Gigliolis Essay keineswegs als Denunziation von Unterdrückten versteht. Vielmehr liest er etwa nach, wie die Opferethik an die Verantwortung von Subjekten appelliert, dabei jedoch die eigene leugnet. Trotz der gelegentlich etwas "sprunghaften" Argumentation kann der Rezensent diesen Beitrag zu einem wichtigen Thema politischer Rhetorik empfehlen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.12.2015

Schönes Büchlein, meint Rezensentin Elisabeth von Thadden. Schmal, liegt angenehm in der Hand und ist einem echten Thema gewidmet: der Frage nämlich, warum sich heute so viele Menschen gern als Opfer gerieren. Dies die Beobachtung des italienischen Literaturprofessors Daniele Giglioli, die er mit allerlei Beispielen aus Literatur und Realität belegt. Man fühlt sich gern als Opfer, weil es gegen Kritik feit und gegen alle Aufforderungen zum Handeln, bei dem man wiederum selbst Fehler machen könnte. Opfersein ist viel bequemer. Thadden kann dem gut folgen, aber nach einer Weile vermisst sie Kriterien Gigliolis, nach denen sich echte Opfer von eingebildeten unterscheiden lassen. Immer diffuser erscheinen ihr Gigliolis Beispiele. Am Ende schlägt sie das Buch verwirrt und unbefriedigt zu.