David Vann

Im Schatten des Vaters

Roman
Cover: Im Schatten des Vaters
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518422298
Gebunden, 184 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow. Eine abgelegene Insel im südlichen Alaska, die nur per Boot oder Wasserflugzeug zu erreichen ist, mit nichts in Sicht außer wilden Wäldern und schroffen Bergen. Hier hat Jim eine Holzhütte gekauft, um dort ein Jahr mit seinem dreizehnjährigen Sohn Roy, den er kaum kennt, alleine zu leben. Aber Jim ist jämmerlich unvorbereitet auf das Leben in der Wildnis: auf Bären, peitschenden Regen und Schnee und vor allem auf die Einsamkeit. Nachts muss der zunehmend verschreckte Roy das verzweifelte Schluchzen seines Vaters mitanhören. Roy will nichts als fort von der Insel, aber er fürchtet sich vor dem, was passiert, wenn er geht. Und so bleibt er, bis das Schicksal des Vaters und sein eigenes mit einem erschütternden Ereignis besiegelt ist.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.07.2011

David Vanns Familiendrama "Im Schatten des Vaters" hat bei Rezensent Jürgen Brocan einige Beklemmungen ausgelöst. Dank Vanns herausragender Gabe, Seelenzustände zu sezieren, hat der Rezensent Einblicke in eine Vater-Sohn-Beziehung erhalten, die von Schuld, Versagen und Begehren geprägt ist. Jim, ein erfolgreicher Zahnarzt, zieht mit seinem dreizehnjährigen Sohn auf der Flucht vor der Vergangenheit und seiner Sexsucht auf eine einsame Insel und stürzt beide damit in einen unbarmherzigen, aussichtslosen Überlebenskampf. Brocan liest diese lakonisch erzählte Geschichte als "Psychogramm der Krise des modernen Menschen in Amerika". Einziger Wehmutstropfen für den Rezensenten: während die amerikanische Originalausgabe von fünf autobiografischen Erzählungen gerahmt sei, die den Charakter des Vaters deutlicher ausleuchten, gehe der deutschen Ausgabe durch die Reduzierung auf den einen Text einiges verloren.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2011

Tief beeindruckt ist Meike Fessmann von David Vanns Novelle "Im Schatten des Vaters". Dass der Suhrkamp-Verlag dieses Stück aus dem Buch "Legend of a Suicide" sozusagen ausgekoppelt hat und als eigenständigen Roman präsentiert, die flankierenden fünf Kurzgeschichten des Bandes aber unter den Tisch fallen lässt, kann sie nur missbilligen. Schließlich ergeben diese Geschichten, die das traumatische Erlebnis des Suizids von Vanns Vater aus verschiedenen Perspektiven schildern, für sie erst zusammen die ganze Geschichte. Trotzdem hat das Werk Fessmann sichtlich fasziniert. Fesselnd und erbarmungslos erzählt Vann für sie die imaginierte Geschichte eines letzten gemeinsamen Jahres des 13-jährigen Roy mit seinem depressiven Vater in der Wildnis Alaskas, das indes nicht im Suizid des Vaters, sondern in dem des Sohnes mündet, und den Vater mit dem Problem konfrontiert, Roys verwesenden, kopflosen Leichnam zur Mutter zurückzubringen, um ihn angemessen zu bestatten. Mit Lob bedenkt die Rezensentin die souveräne Übersetzung vom Miriam Mandelkow. Ihr Fazit: ein höchst intensive Darstellung dessen, was emotionaler familiärer Missbrauch bedeutet.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2011

Rezensent Dirk Knipphals ist hingerissen von diesem Roman David Vanns. Die Geschichte eines depressiven Vaters, der seinen dreizehnjährigen Sohn zu einem monatelangen Aufenthalt in der Einsamkeit Alaskas überredet und schließlich in den Selbstmord treibt, verschlägt dem Rezensenten den Atem. Die konsequent verfolgte "Dramaturgie des schlimmstmöglichen Ausgangs" hat ihn offenkundig in den Bann gezogen, wenngleich der Plot noch nicht einmal als das Beste an dem Buch bezeichnet wird. Es ist vielmehr die von allem überflüssigen Zierwerk befreite Sprache, die es Knipphals angetan hat. Trotz nur skizzenartig hingeworfener Landschaftsschilderungen verstehe es Vann, den Leser sofort in die Wildnis zu versetzen. Meisterschaft attestiert Knipphals dem Autor darüber hinaus in der altehrwürdigen Kunst, die inneren Gefühlslagen seiner Protagonisten in der Naturbeschreibung zu spiegeln. Diesen und anderen Früchten der Sprachbeherrschung Vanns, darunter seine Fähigkeit zu eiskalter "Gefühlssektion", ist der Überschwang der Kritik geschuldet. Sie sind es, die das Werk für Knipphals zu einer echten "Entdeckung" adeln.