Michael Chabon

Die Vereinigung jiddischer Polizisten

Roman
Cover: Die Vereinigung jiddischer Polizisten
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2008
ISBN 9783462039726
Gebunden, 422 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer. Sechzig Jahre lang haben jüdische Flüchtlinge und ihre Nachkommen den Distrikt Sitka in Alaska aufgebaut und sich nach dem Holocaust und dem Zusammenbruch des Staates Israel im Jahre 1948 eine eigene kleine Welt erschaffen: eine Grenzstadt, in der das Leben trotz der klimatischen Widrigkeiten pulsiert und in der Jiddisch Umgangs- und Amtssprache ist. Doch jetzt soll der Distrikt an Alaska zurückfallen und sich die Geschichte wiederholen - erneut droht den Juden Vertreibung und Heimatlosigkeit.
Aber Meyer Landsman vom Morddezernat hat noch andere Probleme als die bald anstehende "Reversion". Seine Ehe ist am Ende, er trinkt und steckt auch beruflich in einer Sackgasse: Nicht mal die Hälfte der Fälle ist gelöst. Sein neuer Chef ist seine Exfrau, und in dem billigen Hotel, in dem er wohnt, wurde ein Mord begangen. Das Opfer ist ein ehemaliges Schach-Wunderkind, und Landsman beginnt mit seinen Untersuchungen aus bloßer Routine und mit dem Gefühl, dass er dadurch vielleicht noch etwas gutmachen kann. Doch als von ganz oben die Anweisung ergeht, dass der Fall sofort zu den Akten gelegt werden soll, ermittelt Landsman mit seinem Partner auf eigene Faust und gerät tief in eine Welt, in der politische Ziele und religiöser Wahn eine gefährliche Allianz eingehen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.09.2008

In Alaska wird nach dem verlorenen Unabhängigkeitskrieg in Israel ein Judenstaat gegründet. Der aber steht nun vor dem Ende, das Gebiet fällt laut Vertrag an Alaska zurück. Ein Mord geschieht, und zwar an einem gewissen Mendel Shipman, der in den Augen manches frommen Juden der "Messias" sein soll. Einen Ermittler gibt es, was das Buch trotzdem, darauf insistiert der Rezensent Tilman Urbach, nicht zum Kriminalroman macht. Vielmehr erweise sich Michael Chabon ein weiteres Mal als virtuoser Durchkreuzer von Genregrenzen, als "überbordender Fabulierer", der ganz besonders brilliert, wenn er "Todernstes mit Urkomischem" mischt. Die Coen-Brüder haben angekündigt, den Roman zu verfilmen. Das sei kein Wunder, so Urbach, denn bei Chabon walte dieselbe Mixtur aus "Wahn und Witz", die auch die Filme der Regisseure auszeichnet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.05.2008

Dieser Roman spielt in einer Welt, in der die Dinge vor sechzig Jahren einen anderen Verlauf nahmen als in der Wirklichkeit. Israel kollabiert, die USA richten den Juden als "frozen chosen" in Alaska einen Staat ein, in dem jiddisch gesprochen wird. Nach sechzig Jahren jedoch fällt die Enklave zurück an Amerika, in der Zeit dieser "Reversion" spielt Michael Chabons Roman, der im Grunde einen Krimiplot erzählt, ein "unscheinbarer Mord" führt zu Verwicklungen aller Art. Chabons Vorbilder sind für den Rezensenten Peter Körte klar erkennbar, nämlich Raymond Chandler zum einen und Jerome Charyn zum anderen. Diese Erkennbarkeit aber ist kein Schaden, denn Chabon schreibe alles andere als epigonal. Erstaunlicherweise beginne man nämlich sehr schnell, sich in der Fantasie-Realität des Romans wie zuhause zu fühlen. Die Hauptfiguren wie etwa der jiddische Noir-Held Meyer Landsman und sein Kollege Berko Shemets sind so "farbige Charaktere", die ganze Geschicht ist so "fabelhaft" und so spannend wie sprachlich brillant erzählt, dass die Lektüre für Körte offensichtlich eine Lust gewesen ist.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.04.2008

Abgründig, verworren, ebenso traurig wie lustig, kurz: ziemlich aufregend findet Rezensent Georg Diez den neuen Roman von Michael Chabon, dessen Stil er als "tragikomische Pulp-Fiction-Variante der Great American Novel" charakterisiert. Statt von den Deutschen ermordet zu werden, seien hier die europäischen Juden nach Alaska umgesiedelt worden. Die Deutschen hätten, da sie ihre Kräfte nicht mit der Ermordung der Juden vergeuden mussten, die Russen besiegt, weshalb die Amerikaner ihre Atombombe nicht auf Japan, sondern Berlin geworfen hätten. Im Plot des Romans spürt der Rezensent des weiteren einen heroinsüchtigen Rabbinersohn auf, der die 1948 aus Israel vertriebenen Juden nach Jerusalem zurückführen sollte. Leider kann uns der Rezensent über seine Leseeindrücke nur eingeschränkt Mitteilung machen, da er zwischendurch auch den Schriftsteller porträtieren muss, den er in einem Cafe in Oakland getroffen hat. Allerdings lässt er uns wissen, dass das große Geschick der Übersetzerin aus seiner Sicht leider nicht groß genug gewesen ist, den "kichernden, hüpfenden" Sound, also den Swing von Chabons Sprache ins Deutsche hinüberzuretten, weswegen die deutsche Fassung für ihn nun nicht ganz so schmutzig funkelt wie das Original.