Elena Ferrante

Die Geschichte des verlorenen Kindes

Band 4 der Neapolitanischen Saga (Reife und Alter)
Cover: Die Geschichte des verlorenen Kindes
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518425763
Gebunden, 614 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Karen Krieger. Elena ist schließlich doch nach Neapel zurückgekehrt, aus Liebe. Die beste Entscheidung ihres ganzen Lebens, glaubt sie, doch als sich ihr nach und nach die ganze Wahrheit über den geliebten Mann offenbart, fällt sie ins Bodenlose. Lila, die ihren Schicksalsort nie verlassen hat, ist eine erfolgreiche Unternehmerin geworden, aber dieser Erfolg kommt sie teuer zu stehen. Denn sie gerät zusehends in die grausame, chauvinistische Welt des verbrecherischen Neapels, eine Welt, die sie Zeit ihres Lebens verabscheut und bekämpft hat. Bei allen Verwerfungen und Rivalitäten, die ihre lange gemeinsamen Geschichte prägen - Lila und Elena halten einander die Treue, und fast scheint das Glück eine späte Möglichkeit. Aber beide haben sie übersehen, dass ihre hartnäckigsten Verehrer im Lauf der Jahre zu erbitterten Feinden geworden sind.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.03.2018

Ob Literat, Literaturwissenschaftler oder Freizeit-Leser - bei Elena Ferrante kommt wirklich jeder "auf seine Kosten", freut sich Rezensent Andreas Fanizadeh. Auf den vierten Band von Ferrantes italienischem Geschichtsepos trifft das sogar noch in besonderem Maße zu, meint er, wenn die poetologischen Reflexionen der Autorin zunehmen, ohne den Lesefluss zu stören. Ferrante erzählt von Elenas Versuchen, sich in ein Leben als etablierte Mutter und Hausfrau im gutgestellten Intellektuellen-Haushalt zu fügen, von ihrem Scheitern bei diesen Versuchen und der anschließenden Rückkehr in ihren Heimatort, wo sie wieder die Nähe zu ihrer Jugendfreundin sucht, lesen wir. Lila ist in Süditalien geblieben, wo sie in den Kreisen der Mafia unterwegs ist und versucht, die verschiedenen Clans gegeneinander auszuspielen. Über Lilas und Elenas so verschiedene Lebenswege gibt Ferrante Einblick in die unterschiedlichen Milieus - geschickt findet das Fanizadeh. Überhaupt ist dieses Buch überaus raffiniert konzipiert, lobt der Rezensent. Nur, warum eine Frau wie Elena sich einem Mann wie Nino fügt, geht ihm nicht auf.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2018

Sandra Kegel erkennt auch im letzten Band von Elena Ferrantes Vierteiler über eine Mädchenfreundschaft im Nachkriegs-Italien die schnörkellose und literarisch unambitionierte Schreibweise der Autorin und das intensive Leuchten des psychologischen Porträts. Dramatisch erscheint ihr die von Karin Krieger "geräuschlos" übersetzte Geschichte der beiden Frauen, die sie nunmehr bis ins Großmutteralter begleitet. Dass ausgerechnet der letzte Band literarische Schwächen aufweist, wenn er dem Porträt der alternden Frauen nur wenig Tiefe abzugewinnen vermag und in Teilen allzu langatmig wirkt, findet Kegel allerdings enttäuschend.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.02.2018

Martin Ebel ist leicht enttäuscht vom Schlussband von Elena Ferrantes Romanvierteiler. Das magische Feuer, das die früheren Bände aus der Verschränkung der beiden Lebensgeschichten von Elena und Lila entfachen konnten, vermag der letzte Band laut Ebel nicht zu erzeugen. Bis übers Jahr 2000 reicht die Geschichte nun, und Ebel schaut mit Bestürzung auf eine verbitterte, zänkische Lila und eine von den eigenen Selbstverwirklichungszielen überforderte Elena. Auch alle anderen Figuren, die noch einmal einen Auftritt haben, sind tot oder verkommen, stellt er fest. Kein Finale wie bei Proust, nur selten die Intensität früherer Szenen, meint Ebel, stattdessen Elenas raffende Abhandlung von Privatem und Beruflichem. Und doch gehört der Vierteiler für den Rezensenten zu den großen Erzählprojekten des 21. Jahrhunderts.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.02.2018

Rezensentin Cornelia Geißler wendet sich zuerst an jene, die sich schon am Ferrante-Fieber angesteckt haben: Der vierte und letzte Band der "Neapolitanischen Saga" ist genauso spannend und facettenreich wie die vorangegangenen und der Wunsch nach Zusammenführung der zahlreichen Handlungsstränge wird endlich befriedigt, verspricht sie. In der "Geschichte des verlorenen Kindes" sind die Erzählerin und ihre beste Freundin, in deren verschiedenen Welten die Romane Ferrantes spielen, gerade 30 Jahre alt und stecken in einer Freundschafts-Krise, die sie jedoch überwinden, nachdem Elena zurückgekehrt ist in ihre und Lilos Heimatstadt, erklärt Geißler. Wieder bildet die Freundschaft der beiden den Mittelpunkt der Geschichte, drumherum jedoch wird so viel mehr noch erzählt - am Ende ist es nicht nur die Geschichte einer Freundschaft, sondern auch eine Geschichte Italiens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine Geschichte der sich wandelnden Geschlechterverhältnisse und eine Geschichte über Liebe und Hass, so die begeisterte Rezensentin. Und wer am Ende der Tetralogie den Verlust nicht ertragen könne, solle einfach von vorne beginnen!

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.02.2018

Rezensent Franz Haas kann sich den allgemeinen Lobeshymnen auf die geniale Erzählerin Elena Ferrante nur anschließen. Ihre geschickt komponierte Tetralogie überflügelt sogar Umberto Eccos Bestseller, meint er und überlegt, was das Geheimnis dieses großen Erfolgs sein könnte. Abgesehen von Ferrantes offensichtlichem erzählerischen Geschick möchte Haas vor allem ihren klaren Blick auf die äußeren, politischen und die inneren, psychologischen Verhältnisse hervorheben. Ihre Romane, in denen neben Freundschaft, Liebe, Hass und Enttäuschung auch gesellschaftliche Themen sowie "Zeit- und Kulturgeschichte" behandelt werden, unterhalten sowohl den "schlichten" als auch den "gebildeten" Leser, meint Haas. Und dann gebe es da noch das überaus öffentlichkeitswirksame Geheimnis um die Identität der Autorin oder des Autors. Kurz: Es gibt zahlreiche Gründe für den Erfolg dieses genialen Roman-Zyklus' und zahlreiche Gründe, ihn zu lesen, so der hingerissene Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 27.01.2018

Finale!, jubelt Rezensent Marc Reichwein nach der Lektüre des vierten Bandes der Neapolitanischen Saga spürbar überwältigt. Denn Elena Ferrante zieht nochmal ordentlich an, verspricht der Kritiker, der kaum mehr die vielen Figuren in diesem "Wimmelbild" von einem Roman zählen kann. Gebannt folgt er einmal mehr Elena, die inzwischen wieder mit ihrer Jugendliebe Nino verbandelt ist und Karriere als Autorin macht, und Lila, deren Existenz in "Kleistscher Manier" auseineinanderbricht und deren Tochter Tina, wie der Titel verrät, in diesem Band verschwindet. Und noch einmal verdichtet Ferrante ihre Themen, fährt der Rezensent fort, der die Saga auch als "eindringliche" Auseinandersetzung mit dem Thema Identität liest: Der Identität der Stadt Neapel, der Identität von Frauen im 20. Jahrhundert und der Identitätsprägung durch das Herkunftsmilieu. Dass aber Ferrante die eigene Identität lieber nicht preisgegeben haben wollte, versteht Reichwein nach der Lektüre der mit tiefen Einblicken in die neapolitanische Mafia-Szene versehenen 2200 Seiten auch.