Florian Huber

Kind, versprich mir, dass du dich erschießt

Der Untergang der kleinen Leute 1945
Cover: Kind, versprich mir, dass du dich erschießt
Berlin Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783827012470
Gebunden, 304 Seiten, 22,99 EUR

Klappentext

Am 30. April 1945 schoss sich Adolf Hitler in Berlin eine Kugel in den Kopf. Zur selben Zeit strömten im Städtchen Demmin beim Einmarsch der Roten Armee hunderte Menschen in Flüsse und Wälder, um sich dort umzubringen. Ganze Familien wurden ausgelöscht, Eltern töteten ihre Kinder. Demmin ist nur ein Beispiel unter vielen: Eine Selbstmordepidemie ergriff tausende Menschen im ganzen Land. Basierend auf Tagebüchern, Briefen, Berichten und Erinnerungen erzählt dieses Buch erstmals vom Untergang der kleinen Leute. Die Massenselbstmorde von 1945 sind ein bis heute verdrängtes Kapitel der Zeitgeschichte, für die seelischen Wunden, die Überlebende und Angehörige davontrugen, interessierte sich jahrzehntelang niemand. Beidem, der Selbstmordwelle wie dem Schweigen, Verdrängen und Vergessen, lag dasselbe Motiv zugrunde, die Flucht vor dem Unerträglichen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.05.2015

Inwiefern die Deutschen der Kriegsgeneration Opfer ihrer selbst waren, lässt sich Thomas Speckmann von Florian Huber erläutern. Auch wenn dem Rezensenten das Thema des massenhaften Suizids im Dritten Reich nicht ganz neu erscheint, so, im Stil einer historischen auf Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen basierenden höchst anschaulichen und laut Speckmann auch sprachlich sensiblen Reportage hat er darüber noch nicht gelesen. Wenn der Autor die "kleinen Leute" in den Blick nimmt, die Mentalität der Kriegsgesellschaft schildert und die Rolle des Rausches, ist Speckmann beeindruckt. Das liegt für ihn nicht zuletzt auch an der raffinierten Verzahnung von Erzählung  und Analyse.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 18.04.2015

Eindringlich findet Rezensent Wolfgang Schneider das Buch des Historikers Florian Huber über die Selbstmordwelle des Jahres 1945 in Demmin bei Berlin. Die knapp tausend angesichts der anrückenden Roten Armee und des Sturzes des Hitler Regimes verübten Selbstmorde treten dem Rezensenten beim Lesen schauerlich vor Augen. Dass der Autor in seiner auf Tagebücher und Gespräche mit Zeitzeugen zurückgreifenden Reportage auch nach Gründen sucht und dabei nicht der Verharmlosung des NS-Regimes anheimfällt, scheint Schneider bemerkenswert. So wird das Buch für ihn zur Mentalitätsstudie der Menschen im Dritten Reich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.03.2015

Ulrike Nimz fühlt sich von Florian Huber in eine Zeit versetzt, als den Deutschen der Lebenssinn abhandenkam. Als langsames Vergehen des Glaubens an den Führer beschreibt ihr der Historiker auf Grundlage privater Tagebuchaufzeichnungen und anhand des Dorfes Demmin Mai 1945 eine wenig bekannte Seite des Krieges. Überzeugend scheint ihr der Text, da der Autor tief gräbt und so der ideologischen Vereinnahmung etwa durch Neonazis entgeht. Die Rezensentin erkennt: Die Gewalttatten der Roten Armee sind nur eine Seite dieser Geschichte, die Ergebenheit der Menschen in Triumph oder Tod ist die andere. So eindrücklich und ohne sich vorschnell beziehungsweise ausschließlich auf das Thema Schuld zu beziehen, hat das laut Nimz bislang noch kein Historiker aufgeschrieben.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.03.2015

Als Aufdeckung einer großen Lüge liest Andreas Wang Florian Hubers Studie über die massenhaften Selbstmorde deutscher Bürger gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Erschüttert stellt der Rezensent fest, dass längst nicht nur NS-Funktionäre zu Zyankali, Strick und Revolver griffen, sondern, wie ihm der Autor anhand von Einzelschicksalen und lokalen Ereignissen zeigen kann, die er in seine Erzählung der Großereignisse des Krieges mischt, vor allem auch "normale" Leute. Von Breughelschem Ausmaß scheint dem Rezensenten das epidemische Morden, und dunkel seine Motive. Erst wenn der Autor sich tastend und mit Hilfe von Erinnerungen, Tagebüchern und anderen Quellen der Mentalität und den Gefühlen der Menschen nähert, wird Wang deutlich, welches "Verzweiflungsszenario" aus Chaos, Gewalt, Demütigung und Furcht 1945 herrschte.
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