Georgina Hammick

Fluchtwege

Roman
Cover: Fluchtwege
Steidl Verlag, Göttingen 2005
ISBN 9783865211781
Gebunden, 359 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Thomas Piltz. Es ist August in London und die Stadtverwaltung lädt zu einer "Erlebniswoche" ein: Spiel und Spaß für die Bewohner des East End. Ganz und gar nicht spaßig wird die Woche für Dexter Bucknell. Der zur Großstadtpflanze mutierte Farmerssohn und einstige Shooting-Star der Londoner Verlagsszene bringt sich und seine zwei halbwüchsigen Söhne als freier Lektor durch. Und jetzt scheint alles schiefzugehen: das Geld ist knapp, die Ex-Frau rachsüchtig, die Lebensgefährtin heiratsunwillig, eine alte Schuld hartnäckig.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.11.2005

Georgina Hammick ist eine Bestseller-Autorin der ungewöhnlicheren Art, berichtet eine gut gelaunte Rezensentin Marion Lühe. Denn nicht "psychologische Ausnahmesituationen" interessieren sie, sondern die "alltäglichen Katastrophen" des Lebens. Und erprobtermaßen eignet sich nichts besser um ebendiese zu inszenieren als alleinerziehende Elternteile, in diesem Fall der ehemals erfolgreiche Verlagslektor Dexter, den Heimarbeit, Hausarbeit, Kindererziehung und neue Beziehung immer tiefer in den Treibsand der Ausweglosigkeit hinabsaugen. Hammicks feines Gespür für das auf den ersten Blick Unscheinbare bringt das Gift zutage, das aus "banalen, kleinen hässlichen Gedanken" sickert und Beziehungen, sei es zwischen Mann und Frau oder Eltern und Kindern, allmählich ersticken lässt - mehr als offener, wilder Streit es je könnte. Mit ironischer Distanz, aber ohne Häme, wie die erheiterte Rezensentin betont, schreite Hammick die zwischenmenschlichen "Fallen" des Alltags ab, liefere en passant ein schonungsloses Porträt des Großstadtmenschen, der vor der Unabhängikeit, auf die er pocht, im Grunde panische Angst hat und sich ins elterliche Zuhause rettet, und verstehe es, bei allem Scharfblick nicht "düster" zu werden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.10.2005

Bernadette Conrad findet vor allem den Ansatz von Georgina Hammicks Roman "Fluchtwege" interessant. Wie viele kleine, alltägliche Lügen kann ein Leben ertragen, bevor es vollkommen aus der Spur gerät? Ab welchem Zeitpunkt sind wir auf der Flucht vor uns selbst? Anders als die klassischen Spannungsdramaturgen - Conrad zitiert Tim Parks und Ian McEwan - ist bei Hammick der Alltag nicht ein Ort der Beruhigung, sondern ein Hort der Beunruhigung. Es braucht keine dramatischen Ereignisse, damit der Boden unter den Füßen der Protagonisten brüchig wird. Es ist nicht nötig, dass ein finsterer Onkel mit einem geheimnisvollen Köfferchen an die Tür klopft. Es bedarf nur der allmählichen Einsicht in das eigene Versagen, in die eigene Kleinheit und die eigene Feigheit. Wie diese stillen Prozesse ablaufen, das stellt Georgina Hammick sehr gekonnt, sehr eindringlich dar, urteilt die Rezensentin. Ein Buch, so Conrad, das über die Ränder hinaus laufe, direkt hinein ins Leben der Lesenden. Nicht einverstanden zeigt die Rezensentin sich einzig mit dem Titel. Der stelle einen poetischen Energieverlust dar gegenüber dem Original: "Green Man Running".