Gerhard Paul

Bilder des Krieges, Krieg der Bilder

Die Visualisierung des modernen Krieges
Cover: Bilder des Krieges, Krieg der Bilder
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2004
ISBN 9783770540532
Gebunden, 526 Seiten, 49,90 EUR

Klappentext

Wie zuletzt der Irak-Krieg zeigt, sind moderne Kriege immer auch Kriege der Bilder. In seiner reich illustrierten Pionierstudie analysiert der Flensburger Historiker und Sozialwissenschaftler Gerhard Paul die Gesichter, die Ausprägungen und die Ursachen dieser Bilder-Kriege von den ersten fotografierten Kriegen des 19. Jahrhunderts bis zu den via Internet präsentierten und transportierten Kriegen der Gegenwart. Neun in die Darstellung integrierte "Visual Essays" mit mehr als 200 Abbildungen dienen der ästhetischen "Kennung" der einzelnen Kriege. Ein Vorspann beleuchtet die ikonografischen Muster der Kriegsdarstellung in Malerei und Grafik von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert, die der frühen Kriegsfotografie vielfach als Vorbild dienten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.02.2006

Als "großes und wichtiges Buch" würdigt Rezensent Thymian Bussemer diese Geschichte der Kriegsbilder, die der Historiker Gerhard Paul vorgelegt hat. Er folgt Pauls Streifzug durch die moderne Kriegsgeschichte und ihre Ikonografie von Napoleons Feldzügen bis zu Bushs "Krieg gegen Terror". Pauls Hauptthese, der moderne Krieg entziehe sich der bildlichen Darstellung, scheint ihm offensichtlich plausibel. Die Funktion der Kriegsbilder - ob historische Schlachtengemälde oder Polaroid-Fotos aus dem Golfkrieg - sehe Paul, vereinfacht gesagt, vor allem darin, den Krieg sinnvoll erscheinen lassen. Bussemer hebt hervor, dass Paul im Anschluss an die historisch einordnenden Großkapitel die wesentlichen Kriegsbilder der jeweiligen Epoche "im Detail analysiert und kommentiert". Mitunter hätte er sich allerdings eine schärfere Analyse gewünscht. Auch bei den konkreten semiotischen Analysen einzelner Bilder sieht Bussemer gelegentlich Präzisierungsbedarf. Diese Kritik mindert indes nicht seine hohe Meinung über dieses Buch, das seines Erachtens "schnell zum Standardwerk werden wird".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.01.2005

Als "Standardwerk", das den "iconic turn" in den
Geschichtswissenschaften überzeugend vor Augen führt, begrüßt Thomas Speckmann diesen Band, der die bildlichen Darstellungen des Krieges vom 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Internet-Gegenwart verfolgt. Untersucht und natürlich auch ausgiebig abgebildet wird die Entwicklung, in der die Bilder zunehmend zu Waffen im Krieg werden. Die Forschung folgt vier Perspektiven, der "propagandageschichtlichen, der erinnerungspolitischen, der friedenspädagogischen und der militärgeschichtlichen", und zwar durchweg überzugend. Herausgekommen ist dabei, so Speckmann, eine "beeindruckende Synthese aus Forschungsliteratur sowie filmischen, fotografischen und digitalen Quellen". Einzig die Tatsache, dass die Zeugnisse der bildenden Kunst und des Comic gänzlich außen vor bleibe, kann sich der Rezensent nicht recht erklären.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.12.2004

Kritisch geht Rezensentin Cornelia Brink mit Gerhard Pauls Studie über die Funktion von Bildern des Krieges ins Gericht. Der Flensburger Historiker untersuche über einen Zeitraum von 150 Jahren das Verhältnis von Krieg, Kameraobjektiv und Zuschauerauge. Der Schwerpunkt liege auf der Fotografie, Paul ziehe aber auch Film- und Fernsehaufnahmen sowie Bilder aus dem Internet heran. Im Zentrum von Pauls Analysen sieht Brink "typische Plots und Narrative", die sich in den visuellen Darstellungen der Kriege unterscheiden lassen. Paul zeige, wie die modernen Bildmedien untrennbar mit dem modernen Krieg verwoben sind. Brink moniert, dass sich Paul im wesentlichen auf "Bilder des Krieges", die den Krieg in seiner Dramatik zeigen, beschränkt, während jene Fotografien, die kaum Spuren in der Erinnerung und der Ikonografie des Krieges hinterlassen haben, fehlen. Auch dass Paul seine Argumentation ausschließlich auf die Sekundärliteratur zum Thema stützt, auf eigene Archivrecherchen verzichtet und so nur dem "öffentlichen Gesicht des Krieges" folgt, sieht Brink kritisch. Bilder, die der Zensur zum Opfer fielen, würden wie private Knipserbilder nur am Rand erwähnt. "Unscharf" bleiben nach ihrer Einschätzung ferner die theoretischen Voraussetzungen der Studie. Auch wenn sich Paul darüber im Klaren sei, dass Fotografien keine Abbildungen der Realität liefern, meine er, es könne doch "Bilder von der realen Seite des Krieges" geben - wenn die Technik sie erlaube, wenn die Fotografen oder ihre Auftraggeber willens wären, den "Krieg in seiner ganzen rauen Realität" aufzuzeichnen. Eine Einschätzung, die die Rezensentin nicht teilen mag.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.11.2004

Relativ beeindruckt, wenn auch letztlich nicht restlos überzeugt zeigt sich Rezensentin Ulrike Brunotte von dieser umfangreichen empirischen Untersuchung der Kriegs-Bildgeschichte, die der Historiker und Sozialwissenschaftler Gerhard Paul nun vorgelegt hat. Im Zentrum sieht Brunotte die "detektivische Entlarvung" der Allianz von Krieg und Bild. Schon bei den frühmodernen Schlachtengemälden entdecke Paul eine "Ambivalenz von Zeigen und Verhüllen", eine Ästhetik, die sich mit Beginn des fotografischen Kriegsbilds gesteigert habe, und in eine Tendenz mündete, die von Medientheoretikern des 20. Jahrhundert als "Verschwinden der Realität" bezeichnet wurde. In seiner Bildtheorie orientiere sich Paul an einschlägigen Autoren wie Virilio, Baudrillard, Rötzer, Belting und Susan Sontag. Kritisch sieht Brunotte, dass Paul, nachdem er knapp 600 Seiten lang überzeugend Bilder des Krieges dargestellt und in ihrer ganzen Ambivalenz von Zeigen und Verhüllen vorgeführt habe, die Absage des Autors ans Bild. "Was Kriege sind, warum sie geführt werden, welche Folgen sie für die Menschen haben, erschließt sich nicht aus Bildern", sondern nur "in der anstrengenden Reflexion im Medium der Sprache", zitiert sie Paul. Im Gegensatz zu Susan Sontag, die ein ausgeprägtes Gespür für die verstörende Leistung des künstlerisch ambitionierten Bildes habe, kranke Pauls Studie am Ende "an mangelndem Vertrauen in die reflexive Potenz von Bildern".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.10.2004

Für Edgar Wolfrum stellt diese Geschichte der "Visualisierung des Krieges" vom Krimkrieg bis zur Gegenwart nichts weniger als einen "großen Wurf" dar. Das Thema sei ein "Desiderat der transdisziplinären Forschung" und entpuppt sich in Gerhard Pauls Untersuchung der verschiedenen Bildmaterialien als "Fundgrube ersten Ranges", begeistert sich der Rezensent. Hier führt erstmals ein deutscher Historiker Literatur auf breiter Basis mit der Analyse von filmischen, fotografischen und digitalen Bildquellen "zu einer großen Synthese" zusammen, schwärmt Wolfrum, der es als Glücksfall preist, dass es sich bei der Studie nicht um ein reines "Textbuch" handelt, sondern mit seinen in neun Kapitel unterteilten über 200 Abbildungen "Visual Essays" bietet. Der Autor stellt in seiner Untersuchung die These auf, dass die Visualisierungen des Krieges eine "Ordnungsstruktur" schaffen sollen, die der Krieg "per se" nicht hat, erläutert Wolfrum zustimmend. Er findet es schade, dass Paul nicht auch Werke der bildenden Kunst in seine Analyse miteinbezogen hat, denn er weist darauf hin, dass Bilder wie "Guernica" von Picasso oder die "Apokalypse-Bilder" von Otto Dix die "Wahrnehmung des Krieges" entscheidend mitgeprägt haben. Dennoch bleibt die Studie für ihn eine höchst gelungene Illustrierung der Tatsache, dass die Welt des modernen Krieges von Anfang an "eng" mit den Bildern verwoben war.