Gert Loschütz

Ballade vom Tag, der nicht vorüber ist

Roman
Cover: Ballade vom Tag, der nicht vorüber ist
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783895611582
Gebunden, 208 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Für Karsten Leiser ist es nicht Sommer, wenn es nicht nach Kamille riecht, sind Pappeln keine Pappeln, wenn sie nicht an einem Kanal stehen, sind Straßen keine richtigen Straßen, wenn es keine Chausseen sind. In einer schlaflosen Nacht erzählt er seiner Freundin Vera, warum das so ist: Seine Landschaft ist immer die Landschaft seiner Kindheit geblieben, die er eines Morgens für immer verlassen musste. "Sieh dir alles genau an, weil du es nicht wiedersiehst", sagt die Mutter am Vorabend ihrer Flucht aus der DDR zu dem Jungen. Und Karsten prägt sich alles ein und kehrt nun jedes Mal, wenn sich der besagte Tag jährt, zu seinen Erinnerungen zurück. Ganz gleich, wie weit er als Reisejournalist reist, in wie vielen Hotels er übernachtet, um die entscheidende erste Nacht im Hotel ungeschehen zu machen, die Vergangenheit holt ihn immer wieder ein, wie jener lederne Koffer von damals, den er einfach nicht loswird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2022

Helmut Böttiger setzt an zu einer Hymne auf Gert Loschütz, den Meister der Andeutung und Autor brillanter Hörspiele, wie der Kritiker findet. Verdient findet Böttiger die Anerkennung, die Loschütz jetzt in breitem Umfang zuteil werde, und äußerst lesenswert auch diese Romanfassung eines Hörspiels, das bereist 1988 gesendet wurde. Sie erzählt von Karsten Leiser, der mit seinen Eltern in den fünfziger Jahren aus der DDR in die Bundesrepublik flieht. Allerdings spielt die Handlung des Romans kaum eine Rolle, vielmehr geht es um jenes Gefühl der Entwurzelung, der Zeitverlorenheit, die Loschütz' Helden umtreibt, erklärt der Kritiker: Orte und Zeitebenen verschwimmen, von Plothow und Wildenburg geht es nach Irland und Sardinien, Schulprügeleien und erste Geliebte wechseln einander ab und bleiben mitunter "rätselhafte Vignetten", stets zurückgeführt auf jenen traumatischen Tag der Flucht, resümiert Böttiger. Das "Irisierende", Suggestive des Romans wirkt im Hörspiel allerdings noch stärker, schließt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2022

Tief bewegt liest Rezensentin Susanne Mayer diesen mehr als dreißig Jahre alten, neu aufgelegten Roman von Gerd Loschütz, dem sie wünscht, langsam über den Kreis von Connaisseuren hinaus Bekanntheit zu erlangen. Dabei schätzt die Kritikerin gerade das "Leise" des Autors, auch und besonders, wenn er wie hier von einem Jungen erzählt, den der plötzliche Tod der Mutter aus der Bahn wirft. Getragen von der Musikalität der Ballade lässt sie sich von Loschütz zu den "dunklen Seiten" der Seele führen, erlebt die Wut des Jungen, staunt aber auch über die Zartheit des Romans, der ihr in präzisen Naturbeschreibungen Trost und "Momente puren Seins" schenkt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.02.2022

Rezensentin Edelgard Abenstein empfiehlt wärmstens diesen 30 Jahre alten Roman von Gert Loschütz. Wie der Autor darin eigene Erfahrungen von Flucht, Verlust und Erinnerung verarbeitet und gestaltet, findet Abenstein bei aller dahinter stehenden Traurigkeit großartig, träumerisch schön und in seiner Sinnlichkeit und Präzision besonders. Die individuelle Geschichte eines Entwurzelten, wie sie der Autor laut Abenstein in seinen Texten immer wieder variiert, wird durch die Kunst des Autors zu einer allgemeingültigen Erfahrung, die sich an die der Leserin anschließt.