Giulia Corsalini

Die Tschechow-Leserin

Roman
Cover: Die Tschechow-Leserin
Nonsolo Verlag, Freiburg 2021
ISBN 9783947767076
Kartoniert, 184 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Ruth Mader-Koltay. Die Protagonistin Nina, vierzig Jahre alt und russischsprachige Ukrainerin, sieht sich gezwungen, ihren kranken Mann und ihre achtzehnjährige Tochter in Kiew zurückzulassen, um in Italien Arbeit zu suchen. In der kleinen Universitätsstadt Macerata in der Region Marken betreut sie eine alte Dame namens Mariangela und verbringt ihre freien Stunden in der Bibliothek des Instituts für Slawistik, wo sie ihre Leidenschaft für Tschechows Erzählungen wiederentdeckt. Mit dem Russischprofessor Giulio De Felice, den sie in der Bibliothek kennenlernt, entwickelt sich eine intellektuelle, von gegenseitigem Respekt getragene Beziehung, die nie die Schwelle des Begehrens überschreitet. Durch ihn erhält Nina einen Einjahresvertrag als Dozentin für russische Literatur an der örtlichen Universität. Diese Arbeit leistet sie fortan zusätzlich zu ihrer Anstellung als Altenpflegerin.
Der zweite Teil des Romans zeigt Ninas Leben acht Jahre später; nach ihrer überstürzten Rückkehr ist sie in Kiew geblieben und arbeitet mittlerweile am dortigen Institut für russische Sprache und Kultur. Um an einer Konferenz über Tschechow teilzunehmen, reist sie ein zweites Mal nach Macerata. Dieser kurze Aufenthalt in Italien nimmt jedoch eine unvorhergesehene Wendung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.2022

Giulia Corsalini schafft es mit ihrem Roman fast in die Gefilde der Vergleichbarkeit mit Tschechow selbst, findet die Kritikerin und studierte Slawistin Christiane Pöhlmann. Denn der von Ruth Mader-Koltev "stilistisch sicher" übersetzte lakonische Tonfall der Geschichte - eine Ukrainerin mittleren Alters geht als Pflegerin nach Italien, um das Studium ihrer Tochter zu finanzieren, und wird dort überraschend Dozentin für russische Literatur -, der auf moralische Stellungnahmen zum Geschehen verzichtet, "trägt" für Pöhlmann den gesamten Roman, auch ohne dass man Tschechow gelesen haben müsste. Auch wie der Roman die prekäre Situation der Protagonistin nicht ausstellt, sondern hintergründig verhandelt, gefällt der Kritikerin. Schade nur, dass Corsalini die Tschechowsche Offenheit nicht bis zum Schluss durchhalte: Das schwierige Verhältnis der Hauptfigur zur Tochter werde kurzerhand "gekittet", bedauert Pöhlmann.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 17.12.2021

Rezensentin Maike Albath dankt dem kleinen, auf italienische Literatur ausgerichteten Verlag Nonsolo für Entdeckungen wie diese: Giulia Corsalinis Debütroman haut sie in jeder Hinsicht um. Erzählt wird die Geschichte der ukrainischen Literaturwissenschaftlerin Nina, die als Altenpflegerin nach Italien kommt, um ihre Familie finanziell zu unterstützen, bald als Dozentin für Slawistik arbeitet und über Tschechow schreibt und acht Jahre später noch einmal nach Italien zurückkehrt, resümiert die Kritikerin. Den Bezug zu Tschechow erkennt Albath nicht nur inhaltlich: Wie eine Figur aus dessen Erzählungen erscheint ihr Nina, die ihr Leben im Rückblick zu fassen versucht, in "intimistischem Realismus", wie die Rezensentin schreibt. Und doch bleibe alles in einer "Atmosphäre des Ungefähren", ergänzt sie. Nicht zuletzt ist das Buch ist für sie auch ein eindringliches und unpathetisches Dokument der Demütigungen, denen osteuropäische Pflegekräfte nicht nur in der italienischen Klassengesellschaft ausgesetzt sind.