Hari Kunzru

Götter ohne Menschen

Roman
Cover: Götter ohne Menschen
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2020
ISBN 9783954381173
Gebunden, 432 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner. Jaz und Lisa Matharu reisen mit ihrem autistischen Sohn in die kalifornische Mojave-Wüste, um dem New Yorker Alltag zu entfliehen und ihre Ehe zu retten. Doch bei einem Ausflug verschwindet der vierjährige Raj in der Nähe einer Felsformation, die die bizarre Landschaft prägt und seit jeher Objekt mythischer Vorstellungen ist. 1947 ließ sich an gleicher Stelle ein ehemaliger Flugzeugmechaniker namens Schmidt nieder, der in den Felsen eine natürliche Antenne sah, um Kontakt zu Außerirdischen aufzunehmen. Quellen zufolge war dort bereits 1778 dem Missionar Francesco Garcès ein Engel erschienen, in Menschengestalt, mit dem Kopf eines Löwen … Alle Versuche der Polizei, Raj zu finden, scheitern, und es tauchen vermehrt Blogs und Tweets auf, in denen Jaz und Lisa verdächtigt werden, selbst für das Verschwinden ihres Kindes verantwortlich zu sein.  Hari Kunzru verknüpft eine Vielzahl von Schicksalen zu einem aktuellen Roman, der zugleich Gegenwartspanorama und Echokammer der Vergangenheit ist. Denn gestern wie heute ist das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen immer auch ein Kampf um Wahrheit und Macht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.07.2020

Für den Rezensenten Alexander Müller ist der britisch-indische Schriftsteller Hari Kunzru ein "Meister des Perspektivwechsels". Unter Beweis stellt er das laut Kritiker einmal mehr in diesem im englischen Original bereits 2011 erschienenen Roman, der Müller auf verschlungenen Pfaden mit vom Amerika der Finanzkrise ins 18. Jahrhundert zu christlichen Missionaren, ins 19. Jahrhundert in den Silberbergbau oder an den Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer "Hetzjagd" auf einen Indianer führt. Mehr noch: Kunzrus üppiges Figurenensemble nimmt den Rezensenten mit zu Ufo-Gläubigen, Bankern, Hippies oder Rockstars - auch mit den Genres vermag der Autor gekonnt zu spielen, staunt der Kritiker. Vor allem aber lobt er Kunzrus Gabe, "dem Unerklärlichen Raum zu geben". Eine "Great American Novel", jubelt er: Raffiniert, bannend und rätselhaft.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.06.2020

Kurz erfahren wir von Birgit Koß, wer Hari Kunzru ist und wie erfolgreich er schon mit seinem ersten Roman war. Dann lädt sie uns in das Setting des Romans ein, nämlich in die Wüste als Urlaubsort einer Familie mit scheiternder Beziehung zwischen den Eltern und einem autistischen Sohn. Wir lesen bei ihr, dass die sich anschließende Geschichte "packend" geschrieben ist und Kunzri hier wie in früheren Romanen die Begegnung von Menschen mit dem Unerklärlichen auf soghafte Weise ausbreitet. Hat Birgit Koß das gefallen? Wir erfahren es nicht. Aber ihr gefällt, dass der Autor seine Leserschaft "herausfordert" und lieber Fragen stellt als Antworten liefert. Und sie findet es "brillant", wie er Sinn- und Machtfragen im Zusammenspiel und Konflikt verschiedener kultureller Prägungen behandelt - und macht dies am Ende als sein immer wiederkehrendes Thema aus.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.05.2020

Rezensent Klaus Bittermann bewundert Hari Kunzru für seinen Einfallsreichtum, denn das "Panoptikum schräger Figuren", das der Autor in diesem Roman rund um eine mystische Felsformation in der Wüste erstehen lässt, hat ihn nicht mehr losgelassen. Den roten Faden bildet laut Bittermann die Geschichte eines just an diesem Felsen verschwundenen autistischen Jungen, dessen Rätsel mit allerlei anderen geheimnisvollen Geschichten verknüpft wird. Verschwörungstheoretiker, Militär, Schamanen, Esoteriker, aber auch verwirrte Normalos - nichts fehlt hier, versichert der Kritiker, dem zufolge dies eine so drückende wie soghafte Atmosphäre erzeugt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2020

Dieser Roman erzählt die Geschichten von unterschiedlichen Menschen, die alle im Laufe ihres Lebens bei einer Felsformation in der kalifornischen Wüste landen, weiß Rezensent Nicolas Freund. Ihm zufolge ist ihnen gemein, dass sie Fragen nach dem Unerklärlichen beantworten wollen, etwa warum in der Gegend immer wieder Kinder verschwinden. In den Augen des Rezensenten wird die Wüste mit den in ihr kursierenden Theorien zur Metapher für die amerikanische Geisteshaltung, vor allem, wenn er bedenkt, dass der Autor bei dem Felsen auch militärische Übungen stattfinden lässt und dass er sich verweigert, alle entstandenen Leerstellen zu füllen - ein großer Coup, findet Freund.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de