Heinrich August Winkler

Der lange Weg nach Westen, Band 2

Deutsche Geschichte vom Dritten Reich bis zur Wiedervereinigung
Cover: Der lange Weg nach Westen, Band 2
C.H. Beck Verlag, München 2000
ISBN 9783406460029
Gebunden, 660 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Der zweite Band von Heinrich August Winklers deutscher Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts beginnt mit der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur im Jahre 1933. Als Hitlers Herrschaft zwölf Jahre später zusammenbrach, ging auch das von Bismarck gegründete Reich unter und mit ihm der noch viel ältere Reichsmythos. Welche Schlüsse zogen die beiden Nachfolgestaaten des Reiches, die Bundesrepublik und die DDR, aus der "deutschen Katastrophe"? Was trennte, was verband die West- und die Ostdeutschen in den vier Jahrzehnten staatlicher Trennung? Ging die wechselseitige Entfremdung so tief, dass man heute, zehn Jahre nach der Wiedervereinigung, von einer Neubildung der deutschen Nation sprechen muss?

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.01.2001

Das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt: Ralph Bollmann findet große Worte und erhebt Heinrich August Winkler zum "repräsentativen Historiker" der "Berliner Republik". Winkler habe ein neues Standardwerk verfasst, das er dem "zu bunten" Gesellschaftspanorama von Thomas Nipperdey und der mit Zahlen und Statistiken überfrachteten Gesellschaftsgeschichte Hans-Ulrich Wehlers vorzieht. Einwände, Winkler habe wesentliche Bereiche wie Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft außer Acht gelassen, schiebt Bollmann mit der Bemerkung zur Seite, es handele sich nicht etwa um eine "Totalgeschichte", sondern um eine "Problemgeschichte", die das Verhältnis der Deutschen zu Nation und Demokratie untersucht. Erst jetzt, seit der Vereinigung im Jahr 1990, ließe sich behaupten, Deutschland sei im Westen angekommen: "ein langer Weg". Eine Zäsur gab es 1933, folglich endet dort der erste und beginnt der zweite Band. Die vom Verlag in den Vordergrund geschobene Frage nach einem "deutschen Sonderweg" beantworte die Lektüre auf erstaunliche Weise, schreibt Bollmann: Winkler warte mit umfangreichem Quellenmaterial auf, das die antiwestlichen Ressentiments von rechts wie links gründlich belege. Es gibt Wege, "die noch besonderer sind als die anderen", zitiert Bollmann den Historiker. Und sei es nur, dass sie eben lange dauerten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.11.2000

Das ist eine sehr, sehr lange und interessante Kritik des zweiten Bandes deutscher Geschichte von Heinrich August Winkler, schon deshalb, weil mit Ulrich Herbert ein bekannter Historiker das Buch eines der bekanntesten "Fachkollegen" bespricht. Herbert will ihm wohl nicht ganz so direkt ans Bein pinkeln: Er bezeichnet den Band nämlich erst mal als einen "Höhepunkt der neueren deutschen Historiographie", aber dann folgt - hübsch in deskriptive Passagen verpackt - fast nur Kritik, und zum Teil heftige. Hauptkritik Nummer 1 bezieht sich auf die Grundannahme Winklers, des letzten großen Mohikaners des deutschen Sonderwegs. Sie lautet, in den Worten Herberts, das "Defizit der Deutschen an Freiheit und Demokratie habe in der Orientierung auf das (ergänze: verlorene) Reich seine politische Form gefunden". Aber für Herbert trägt diese Grundlage nicht: Sie war nicht die "Brücke" zwischen Hitler und den Gebildeten des Volkes, weil nicht das neue "Reich" der echte Fixpunkt war, sondern die Hegemonie. Hauptkritik Nummer 2 lautet nüchtern und hart: "Insgesamt ist die nationale Frage als Fluchtpunkt einer deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht sehr tragfähig." Dazwischen findet sich eine Fülle von gut begründeter Detailkritik. Herbert will die Konzentration des (früheren?) SPD-Mitglieds Winkler auf die SPD nicht einleuchten, er findet es fragwürdig, daß dieser dem Vereinigungsprozeß "doppelt so viel Platz einräumt wie der Darstellung der gesamten Adenauer-Ära" und grundsätzlich kommt ihm die innere Entwicklung des geteilten Deutschland - einer seiner eigenen Forschungsschwerpunkte - zu kurz. Was für Herbert die Qualität des Bandes jenseits prägnanter Formulierung und großer Informiertheit ausmacht, wird nicht recht greifbar. Zustimmend fasst er die Auseinandersetzung Winklers mit jenen Teilen der SPD zusammen, die im Interesse außenpolitischer Stabilität von der polnischen Solidarnosc nichts wissen wollten und - wie ihre konservativen Nachfolger in der Regierung auch - letztlich die Diktaturen stabilisierten. Aber das allein kann?s nicht sein, wo doch Herbert so viel Platz gehabt hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2000

`Ein Stück staatstragender Geschichtsschreibung`, meint Richard Herzinger, habe Winkler da vorgelegt. Und Herzinger meint es in dem Sinne, wie man es nur einem Zeit-Autor nachsieht - nämlich im positiven: `Sie stattet die freiheitlich-demokratischen Gründungsideen von 1990 mit einem historiografischen Unterbau aus.` Na gut, Schwamm drüber. Denn tatsächlich fasst Herzinger Winklers `Deutsche Geschichte` sehr anschaulich zusammen, hebt die interessantesten Punkte hervor, und legt den Finger auf noch offene Wunden. Doch schließlich sieht Herzinger, ganz mit der Geschichte versöhnt, in Winklers Buch den Beweis einer erstaunlichen Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik: `In einer seltsamen Dialektik der Selbsttäuschung arbeitete sowohl die Rechte als auch die Linke der Verwestlichung und Liberalisierung zu, obwohl sie zum Teil ganz anderes im Sinn hatte.` Herzinger kritisiert zwar das Erklärungsmuster der Westbindung als `teleologisch` und deshalb problematisch. Aber er stimmt anscheinend völlig mit Winkler darüber ein, dass deutsche Geschichte im Westen stattgefunden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Ulrich Speck hält hohes Lob für Heinrich August Winklers zweiten und abschließenden Band zur deutschen Geschichte bereit. Winkler habe seine Gesamtdarstellung - nach Speck die "Königsdisziplin der klassischen Historiografie" von Ranke, Mommsen und Treitschke bis zu Nipperdey und Wehler - was Materialfülle und Länge betrifft "bescheidener" angelegt. Der zweite Band umfasst "nur" 660 Seiten und konzentriere sich ganz auf die "Politik im engeren Sinne". Damit sei Winkler der Gefahr entronnen, wie seine Vorgänger zum bloßen Nachschlagewerk zu werden und habe außerdem eine "gründlich durchdachte und durchkomponierte Gesamtschau" geliefert. Im zweiten Band präsentiere Winkler in einer "hochreflektierten Darstellung" die deutsche Geschichte von 1933 bis 1990. Der Nationalsozialismus sei nach Winkler nicht durch einen übersteigerten Nationalismus entstanden, sondern durch den Mythos vom Reich, das über dem Nationalstaat stehen sollte. Erst 1990 sei der postnationale Sonderweg des einen Deutschlands und der internationalistische Sonderweg des anderen beendet worden. Mit dieser Darstellung, preist der Rezensent, habe Winkler die deutsche Geschichtsschreibung auf ein "neues Niveau" gebracht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.10.2000

Anzuzeigen ist ein Standardwerk deutscher Geschichtsschreibung. Heinrich August Winkler legt den zweiten Band seines "langen Wegs nach Westen" vor und setzt sich "gewinnbringend", so Klaus Hildebrand in seiner Besprechung, mit der Geschichte der eigenen Zeit auseinander. An Winklers unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Demokratie und Nation geführter Untersuchung fällt Hildebrand besonders die breit angelegte Auseinandersetzung mit der Rassenpolitik des nationalsozialistischen Regimes, sodann mit den "unterschiedlichen Entwicklungen im Westen und Osten des untergegangenen Reiches" auf. Zu kritisieren seien an diesem Buch die etwas stiefmütterliche Behandlung außenpolitischer Aspekte sowie eine "über Gebühr" betriebene SPD-Geschichtsschreibung, hinter der die Initiativen der anderen Parteien im innen- und europapolitischen Prozess zu kurz kämen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.09.2000

Johannes Willms widmet sich dem zweiten Band der Deutschen Geschichte in seiner Besprechung sehr eingehend und lässt keinen Zweifel an seiner Begeisterung. Das Buch überzeugt durch seine "Objektivität", und meistert die Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens hervorragend, urteilt der Rezensent. Besonders angetan ist er von der Schilderung des "Dritten Reiches", die durch sehr pointierte Positionen sicherlich "manchen Angriffsfläche" biete. Gleichermaßen begeistert ist der Rezensent vom "Mut zu entschiedenen Aussagen" des Autors, wo es um die Verbrechen der Wehrmacht geht. Doch auch die Darstellung der Widerstandsbewegung gegen Hitler findet er "wohltuend differenziert", weil sie mit gebräuchlichen Legenden aufräume. Wenn die Schilderung der Entwicklung, die zur Wiedervereinigung geführt hat auch mitunter die Gefahr der "bloß chronikalen Darstellung" berge, so nimmt der Rezensent hier den Autor in Schutz und sieht diesen Mangel in dessen Ansinnen begründet, die Ereignisse in ihrer ganzen Komplexität zu beschreiben. Alles in allem aber ist sich Willms sicher, dass das Buch als "die Darstellung der deutschen Geschichte" gelten und Maßstäbe für zukünftige Darstellungen setzen wird.
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