Hendrik Otremba

Benito

Roman
Cover: Benito
März Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783755000075
Gebunden, 500 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

1995 fährt der elfjährige Cherubim mit seiner Pfadfindergruppe auf eine dreiwöchige Kanufahrt einen westdeutschen Fluss entlang. Sie alle tragen klingende Fahrtennamen wie Kippe, Maus und Fliegentöter. Ihren Anführer, ein paar Jahre älter als sie, nennen sie Häuptling. Je weiter der Fluss sie trägt, desto verbundener fühlt sich Cherubim den anderen, desto mehr vergisst er sein Zuhause. Dort warten ohnehin nur seine frisch getrennten Eltern auf ihn, die Mutter überfordert, der Vater depressiv. Für den blinden Benito, mit dem er sich eines der Boote teilt, entwickelt er ein zunehmend obsessives Interesse.Dann geschieht ein schreckliches Unglück: Durch einen Jagdunfall wird der Anführer getötet, woraufhin die Jungen bald dem Wahnsinn nahe die Flussfahrt ohne ihn fortsetzen. Immer tiefer geraten sie nun in eine verstörende Welt. Das kindliche Abenteuer wird zu einem surrealen Albtraum. Benito erfährt dabei eine radikale Wandlung: Zunehmend ergeht der zu Beginn noch in sich gekehrte Junge sich in immer zornigeren Monologen, die den Irrweg der Zivilisation anprangern. Aus dem stillen Jungen wird ein fatalistischer Prophet, ein blinder, apokalyptischer Seher. Drei Jahrzehnte später ist aus Cherubim ein bekannter Schriftsteller geworden, der einer rätselhaften Einladung folgend nach Bonn kommt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.01.2023

Rezensenti Ulrich Gutmair freut sich über die zwei Erzählstränge in Hendrik Otrembas neuem Roman "Benito", dessen besonderen Erzählstil er dem magischen Realismus zuschreibt: Der Erzähler berichtet von einer Tagung, auf der ein Pseudoattentat verübt wird - ausgerechnet von seinem früheren Freund Benito, der damit eine Botschaft übermitteln wollte und den eigenen Tod - sonst stirbt niemand bei dem vorgetäuschten Anschlag -  billigend in Kauf nimmt. Diese Handlung werde ergänzt durch einen Blick in die Vergangenheit, auf die Pfadfindergruppe, der beide angehört haben, in der der Hellseher Benito schon angekündigt hat, etwas müsse passieren, damit der Mensch wieder zur Liebe finde. Diese Ebene, so der Kritiker, bringt einen anarchistischen Impuls in den Roman, die für ihn interessante Gedanken zu Anarchie und Menschheit anstößt und ihn nicht nur motiviert, das Buch zu lesen, sondern auch, den Moment zu leben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.01.2023

Zwei Menschen schauen auf dasselbe Ereignis und ziehen daraus gänzlich andere Schlüsse. Das ist für Rezensent Thomas Combrink die Grundkonstruktion im neuen Roman von Hendrik Otremba. Wieso ein tödlicher Unfall beim Ausflug einer Pfadfindergruppe im Ruhrgebiet 30 Jahre später zu einem vermeintlichen Amoklauf führt: Das erzähle Otremba wendungsreich und spannend, schreibt Combrink. Besonders beeindruckt ist der Rezensent von der Dramaturgie der Perspektiven, mit der Otremba die Geschichte des Amoklaufs fein mit dem Schmerz über den Verlust von Menschen und Heimat und der daraus resultierenden Sehnsucht nach dem Vergangenen verwoben habe. Combrink fühlt sich dabei an Walter Benjamin erinnert: Denn Wehmut, schreibt der Rezensent, sei der Grundton dieser mit literarischen und musikalischen Zitaten gespickten Geschichte über das Erwachsenwerden.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 25.10.2022

Rezensent Enno Stahl folgt der in zwei parallel geführten Handlungssträngen sich langsam entwickelnden Geschichte in Hendrik Otrembas Roman mit Spannung. Was ein ausgebrannter Schriftsteller mit einer von einem dunklen Ereignis geprägten Kindheitsgeschichte einiger Pfadfinderfreunde zu tun hat, erschließt sich ihm Stück für Stück. Leider wird die Geschichte zunehmend surreal und unglaubwürdig, wenn sie zu einer Kapitalismuskritik ausholt, bedauert der Rezensent.
Stichwörter