Henri Michaux

Wer ich war

Frühe Schriften 1922-1926
Cover: Wer ich war
Droschl Verlag, Klagenfurt 2006
ISBN 9783854207023
Broschiert, 197 Seiten, 22,35 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Dieter Hornig. Obwohl Henri Michaux später seine Anfänge zu verbergen suchte und sie mit wechselnder Konsequenz aus seinem Werkkatalog tilgte - dem ihn verehrenden Paul Celan erlaubte er allerdings eine auszugsweise Übersetzung seines ersten Buches von 1927 - konnten mittlerweile doch viele Spuren der 20er Jahre festgehalten werden. Nach den ersten Reisen, die den 21-jährigen Matrosen Michaux nach Nord- und Südamerika, Indien und China führten, lebte er wieder in seinem gehassten Brüssel, wo er zu schreiben begann und ab 1923 in der Zeitschrift "Le Disque Vert" (hg. v. Franz Hellens) regelmäßig publizierte: Rezensionen, Essays, Beiträge zu Chaplin und Freud - Arbeiten, die seine wichtigen späteren Themen und sein Interesse am Traum, am Fremden, an "anderen Zuständen" beispielhaft enthalten.
Der vorliegende Band macht nun erstmals diese frühen Texte, seine erste selbstständige Publikation "Die Träume und das Bein" und vor allem die komplette Sammlung von "Wer ich war" vollständig zugänglich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.03.2007

Besonders gefallen haben Rezensent Hans-Peter Kunisch die "Fabeln von den Ursprüngen", in denen Henri Michaux alte Vorbilder für die von ihm lancierte neue Einfachheit suche. Als Gegenentwurf gewissermaßen zur modernen Komplexität und Dekadenz erzähle Michaux in aller Kürze beispielsweise vom ersten Menschenfresser, der recht unbekümmert den Sohn als Speise anrichtet. Einer ähnlichen Einfachheit rede der junge Michaux auch das Wort in einer Buchrezension, in der er lobend die "kubistische Schlichtheit" der Sprache erwähne, die sich nur der grundlegensten Adjektive bediene. Geradezu "verblüfft" zeigt sich der Rezensent dann über das große Vorbild Henri Michauxs aus dieser Zeit, denn nicht etwa den Kubisten oder Freud widme er seine Hymne, sondern Charlie Chaplin. Der, skizziert der Rezensent die Position Michauxs, schreibe oder male nicht über das Phänomen der gefühlslosen Moderne, nein, er "verkörpere" diese Seinsweise vorbildhaft auf direkte Weise, wenn er einen Polizisten ohne Anflug von Gewissen umbringe oder seiner Schwiegermutter spontan in den Hintern trete. Für diese "schöne Auswahl" bedankt sich der Rezensent ganz herzlich beim Droschl-Verlag .
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.12.2006

Beim Lesen von Henri Michaux' Texten kommt sich der Leser "prinzipiell zu dumm" vor, schreibt Rezensent Peter Hamm und mahnt zugleich an, den belgischen Schriftsteller trotzdem wieder zu lesen. In den frühen Schriften, für die Dieter Hornig für den Droschl-Verlag verantwortlich zeichnet, erkennt der Rezensent eine gewisse unbenannte Logik. Dabei ergeben die Texte "insgesamt keinen irgendwie ablösbaren Sinn", für ihn ähneln sie wissenschaftlicher Literatur, obwohl sie Wissenschaften beschreiben, die es nicht gibt, meint der Kritiker. Auch ein "Ich" tauche selten hinter den Worten auf, und wenn, dann komme es "nervös und aufgebracht" daher. Und so bleibe Michaux, der Dichter, Maler und Reisende weiter einer der "großen Geheimnisvollen".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.10.2006

In wunderbaren Übersetzungen sei hier das Frühwerk von Henri Michaux beinahe vollständig auf Deutsch zugänglich gemacht, lobt Rezensent Hans-Jürgen Heinrichs. Dass der gerade einmal achtundzwanzigjährige Autor den memoirenartigen Titel gewählt hatte, sei eine programmatische Aussage über sein Selbstverständnis insgesamt. Als Dichter, Maler, Reisender und Drogenforscher habe Michaux sich immer neu erfinden wollen und sei stets skeptisch gegenüber allen Vorlieben und "Masken" seiner jeweiligen Phasen gewesen. Auch sei es ihm nie um Literatur als solche gegangen, als Resultat und Erfolgsmesser seiner Bestrebungen. Diese Qualitäten der überwiegend kurzen Texte schaffen es dem Rezensenten zufolge auch im Umkehrschluss, den Leser immer neu "hervorzubringen". Allerdings erfordere dies, wie im Falle der Gedichte, mitunter einige Entzifferungsarbeit. Belohnt werde man allein schon mit einem Anfang, der zugleich "furios" und "geheimnisvoll" sei.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.07.2006

Sehr angetan zeigt sich Rezensent Helmut Mayer von diesem Band mit den "Frühen Schriften" des Autors Henri Michaux. Die Ausgabe konzentriert sich auf Texte aus den Jahren 1922-1927 (ein paar spätere sind allerdings auch dabei) und bedeutet für viele davon die erstmalige Übertragung ins Deutsche. Schon hier erweist sich Michaux, so Mayer, als durchaus eigenständiger Kopf. Zwar sei die Nähe zu den Surrealisten nicht zu übersehen - genauso wenig allerdings deutliche Distanzierungen, zum Beispiel gegenüber dem Konzept der "ecriture automatique", das Michaux für einigermaßen naiv hielt. Auch die für die Hauptwerke so typischen Bezüge zur Psychiatrie sind bereits hier zu finden, stellt Mayer fest, offensichtlich beeindruckt davon, wie früh sich schon die Lebensthemen Michaux' abzeichnen. Ein Extralob erhalten sowohl der "sichere" Übersetzer Dieter Hornig als auch der Verlag für seinen Mut zu dieser Ausgabe in Einzelbänden.
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