Hermann Weber

Damals, als ich Wunderlich hieß

Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten. Die SED-Parteihochschule
Cover: Damals, als ich Wunderlich hieß
Aufbau Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783351025359
Gebunden, 445 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

In Zusammenarbeit mit Gerda Weber. Unter dem Decknamen "Hermann Wunderlich" studierte Hermann Weber von 1947-1949 an der Parteihochschule "Karl Marx" in Liebenwalde und später in Kleinmachnow. Zu seinen Dozenten gehörten Victor Stern, Frida Rubiner, Anton Ackermann, Hermann Duncker. Walter Ulbricht, Oberst Tulpanow, Wilhelm Pieck halten Vorträge. Nach dem Aufbau-Geist der Nachkriegszeit erlebt er, wie die Lehre zunehmend doktrinäre Züge annimmt, Denunziation und "Selbstkritik" den Alltag bestimmen - die Trotzkismus-Phobie um sich greift. In diese Zeit fällt auch die Flucht von Wolfgang Leonhard, der zu dieser Zeit an der Parteihochschule unterrichtete.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.09.2002

Damals, als Hermann Weber Hermann Wunderlich hieß - das war eine Zeit, als der Mannheimer Historiker und Politologe im Dienst der westdeutschen kommunistischen Partei in den Jahren 1947 bis 1949 nach Liebenwalde und Kleinmachnow bei Berlin ging, um dort die SED-Parteischule zu absolvieren, berichtet Alfred Cattani. 1953 haben sich Weber und Mitverfasserin und Ehefrau Gerda, die er an eben jener Schule kennengelernt hatte, vom Kommunismus ab- und der Sozialdemokratie zugewandt, erzählt der Rezensent weiter über das Leben des Ehepaares. Seine Biografie habe Weber schon vor vielen Jahren zum Beruf gemacht und sich einen angesehenen Ruf als Kommunismus-Forscher erworben, weiß Cattani. Der vorliegende Band zeigt in "vielen drastischen Beispielen" das Funktionsprinzip des Stalinismus, denkt der Rezensent, der außerdem die "ausgewogene" und "leidenschaftslose" Art der Auseinandersetzung des Autors mit diesem Kapitel seines Lebens sehr zu schätzen weiß. Denn dieser Band trägt dazu bei, meint Cattani, der Frage auf dem Grund zu gehen, warum Menschen, die einst eine gerechtere Gesellschaftsordnung schaffen wollten, stattdessen eine "Partei der Unterdrückung und Ausbeutung" installiert haben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.08.2002

Fundiert und detailreich wie gewohnt erscheint Martin Jander der autobiografisch gefärbte Bericht des Historikers Hermann Weber über die Entstehung der zentralen Kaderschmiede "Karl Marx" der SED. Hermann Weber und seine Frau gehörten damals zu den ersten Studenten. Die Desillusionierung ließ aber nicht lange auf sich warten, und nach dem Arbeiteraufstand 1953 wandte sich Weber endgültig von der SED ab. Ein "minutiöser" Bericht ist darüber entstanden, lobt Jander, der "mit vielen bislang unbekannten Details gespickt" sei, durchsetzt mit persönlichen Einsprengseln und auch Selbstkritik. Der Rezensent hätte sich allerdings noch mehr persönliche Färbung gewünscht, Weber, ganz der Historiker, hält sich seiner Meinung nach noch zu sehr zurück und spielt seine "Erzählerqualitäten" zu zögerlich aus. Das Buch ist "randvoll mit lexikalischen Informationen", so der Rezensent, nur eine darüber hinausgehende Schilderung der damals heranwachsenden Führergeneration der westdeutschen KPD und der SED vermisst Jander in dem sonst "akribisch" und "professionell" recherchierten Buch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.06.2002

Der Mannheimer Historiker und Sozialdemokrat Hermann Weber erinnert sich an seine Zeit als 'Kursant' an der der SED-Parteihochschule Karl Marx, die er von 1947 bis 1949 besuchte, berichtet Manfred Wilke. Der Lehrgang an der "Kaderschmiede" veranlasste Weber, dem man an dieser Schule den Decknamen "Wunderlich" verlieh, der SED den Rücken zu kehren und sich der Sozialdemokratie zuzuwenden. Die beiden Jahre hatten ihn außerdem so sehr geprägt, dass er fortan das Thema Stalinismus und Kommunismus zu seinem Forschungsschwerpunkt machte, weiß der Rezensent. Der findet diese Biografie sehr aufschlussreich. Denn der Insider und Experte Weber wisse, worüber er schreibe. Gerade wegen dieser "Doppelrolle" als Zeitzeuge und Historiker sei ihm eine "prägnante" Studie über die "mittlere Funktionärsebene" der SED gelungen. Mit dem Buch habe er auch einen wichtigen Beitrag für die Beantwortung der Frage geleistet, warum eine auf Befreiung angelegte Arbeiterbewegung in eine Diktatur umgeschlagen sei. Denn die Funktionärsschule bei Berlin, die zwischen 1946 und 1986 15.336 Kursanten absolviert hatten, spielte bei diesen Entdemokratisierungsprozessen eine entscheidende Rolle, ist Wilke überzeugt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.04.2002

Rezensent Gunter Holzweissig skizziert die Erinnerungen und ausgiebigen Recherchen des Autors, die von der enthusiastischen Jugendarbeit in der KPD, bis zur ernüchternden Erfahrung an der Parteihochschule der SED reichen. Diese wandelte sich, laut Holzweissig, vom halbwegs liberalen zum eindeutig stalinistisch indoktrinierenden Lehrbetrieb, dessen Teilnehmer in stundenlangen Selbstbezichtigungsritualen auf die anti-trotzkistische Linie eingeschworen wurden. An diesem "primitiven Stalinismus" sei der Autor, für den die Protokolle der Moskauer Schauprozesse zum Anlass für Forschungen über die Greultaten des "roten Totalitarismus" wurden, fast zerbrochen, schreibt Holzweissig. Er lobt das "solide Fundament" dieser Erinnerungen, in denen auch die Lebenswege einiger ehemaliger Kommilitonen und Lehrer - unter anderem Wolfgang Leonhard - "minutiös" zusammengetragen werden.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.03.2002

Der autobiografische Bericht von Hermann Weber über seine Zeit in einer SED-Kaderschule in den Jahren 1947 bis 1949, gespeist aus eigenen Erinnerungen und Akten aus dem SED-Archiv, thematisiere ein weiteres Mal das Lebensthema des Autors, nämlich die "geschlossene Welt des deutschen Kommunismus", berichtet Gerd Koenen. Der Rezensent würdigt zwar die dichte Beschreibung eines "kafkaesken Prozesses", in dessen Verlauf die Wissbegierde der Schüler der Kaderschmiede zunehmend emotional und intellektuell trocken gelegt worden sei. Aber er kritisiert auch, dass das Buch nicht sehr viel mehr zu bieten habe als ein "Protokoll". Viel zu ausführlich würde über Dozenten und Schüler der Schule referiert, so ergiebig seien deren Lebensläufe aber nicht, meint Koenen. Weber habe sich zwar als Dokumentar und Erforscher des deutschen Kommunismus verdient gemacht, lobt der Rezensent, aber sein neues Buch verdeutliche leider auch die Binnenperspektive des Autors, von der er sich, behauptet Koenen, bis heute nicht habe lösen können.