Ian Morris

Wer regiert die Welt?

Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Cover: Wer regiert die Welt?
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2011
ISBN 9783593384061
Gebunden, 656 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Mit Abbildungen und Karten. Aus dem Englischen von Klaus Binder, Waltraud Götting und Andreas Simon dos Santos. Gibt es einen roten Faden durch die Geschichte, der uns im Rückblick zeigt, wohin die Zukunft uns führt? Der US-Wissenschaftler Ian Morris, ein Universalgelehrter im besten Sinne, antwortet: Ja, doch wir werden ihn nicht in der Geschichte der letzten 500 Jahre finden. Konsequent rollt er Jahrtausende neu auf und lässt aus einer Vielzahl historischer Fakten, archäologischer Funde, naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und empirischer Methoden ein Bild der Menschheitsgeschichte entstehen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.09.2011

Nicht weniger als das "Grundmuster der Geschichte" will Ian Morris entschlüsselt haben, stellt Louisa Reichstetter erstaunt fest. Ebenfalls verwundert ist sie von Morris recht simpler Antwort auf die Frage seines Buches. Der Westen regiert natürlich die Welt, aber um zu erklären, warum das so ist, holt Morris zur groß angelegten Geschichtsrekonstruktion von Europa bis Asien aus. Von deren Breite und Stringenz ist die Rezensentin wirklich beeindruckt. Weniger eindrucksvoll erscheinen ihr jedoch Morris Ergebnisse, und viele seiner historischen Schlüsse und Einordnungsversuche bleiben für sie zu voreilig und skizzenhaft. Dieser "Schweinsgalopp durch 15.000 Jahre Menschheitsgeschichte" meint Reichstetter, zeigt weniger die geschichtliche Entwicklung, sondern offenbart mehr die Bedürfnisse des heutigen Lesers, der sich nach einem Rundum-Erklärungspaket sehne - gewürzt mit ein wenig "Weltuntergangsstimmung".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.08.2011

Für Werner Link liegt der Hauptverdienst des Historikers und Archäologen Ian Morris darin, dem interessierten Leser wie auch der Wissenschaft mit diesem Buch jede Menge Diskussionsstoff an die Hand zu geben. Geradezu provokant findet Link schon den Versuch, als einzelner Autor auf 600 Seiten fünfzehntausend Jahre gesellschaftliche Entwicklung darzustellen. Weitere, für den Rezensenten nicht ganz leicht zu verdauende Momente sind: Die Einteilung der Welt in Ost und West, wobei Westen das Kerngebiet Mittlerer und Naher Osten, Osten aber im wesentlichen China und Japan meint. Ferner der vom Autor in Bezug auf Energieausbeute, Organisation, Nachrichtenverarbeitung und Kriegskompetenz aufgestellte "Entwicklungsindex" sowie das "Morris-Theorem", das Link an dieser Stelle gar nicht weiter erläutern möchte oder kann. Dass der Text, wo immer der Rezensent ihn zu überprüfen imstande ist, ihm holzschnittartig und irritierend vorkommt, kommt noch hinzu.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.03.2011

Alles in diesem Buch möchte Herfried Münkler dem Autor dann doch nicht fraglos gegenzeichnen. So überlegt er sich etwa, wie es sein kann, dass Ian Morris die Fundamente seiner Darstellung des großen Kampfes zwischen Ost und West um die Welthoheit (wobei der Westen die längste Zeit die Nase vor gehabt hat) dem Leser nicht erläutert, wo er doch ein recht spezielles geografisches Verständnis davon zu haben scheint, wo der Westen und wo der Osten eigentlich anfängt beziehungsweise aufhört. Oder auch die Voraussetzung eines Zweikampfes, aus dem Afrika und weite Teile Südasiens einfach herausfallen. Oder der Index, anhand dessen Ian Morris die Gesellschaften und ihren zivilisatorischen Status miteinander vergleicht. Abgesehen davon jedoch schätzt Münkler das Buch als gut reflektierte, spannende Darstellung und Analyse der welthistorischen Vergangenheit und Zukunftsvision zugleich. Nicht zuletzt mit einem, wie er findet, interessanten Theorem: Nach Morris nämlich führt die Dynamik der zivilisatorischen Entwicklung schließlich zu einem extrem hohen Energiebedarf und unweigerlich zum Rückschlag.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.03.2011

Das klingt so gut, so neu, dass es doch alt sein muss. Bei Hegel und Spengler wird Rezensent Urs Hafner denn auch fündig und fragt sich, wieso Ian Morris seine packende Vorschau auf die Welt im Jahre 2103 nicht geschichtsphilosophisch grundiert hat. Dass der Autor (ein Archäologe nebenbei!) seinen Blick auf Geografie, Klima und Technik scharf stellt, aufs Materielle, während er das Mentale (Religion etwa) weitgehend außer Acht lässt, geht für Hafner dagegen in Ordnung. Schließlich geht's ums Fleisch, den Kampf um Ressourcen (Energie, Information) und um die Kriegsführung. Wie Morris diesen Kampf als Wettlauf zwischen Ost und West, zwischen China und den USA, vorausdenkt, mal streng statistisch, dann prophetisch dramatisierend, hat Hafner allerdings beeindruckt. Weil der Autor belesen ist, wie er erläutert, weil er dialektisch argumentiert und sogar Einwände gegen seine Thesen gleich mit diskutiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2011

In seiner sehr eingehenden Kritik würdigt Rezensent Jürgen Osterhammel die Kühnheit des Archäologen und Altertumswissenschaftlers Ian Morris, der mit seinem Werk "Grundmuster" in der Weltgeschichte zu ergründen sucht. Man merkt dem Rezensenten an, dass er die pointierten Deutungen und kühnen Zusammenfassungen geschichtlicher Ereignisse genossen hat. Mit Verve und einer guten Portion Kolportage sucht der Autor aus seinem historischen Überblick abzulesen, wer in der Welt die Hosen anhat und wie sich das Kräfteverhältnis in Zukunft gestalten wird, kann man Osterhammels Rezension entnehmen. Dafür schlage Morris einen großen Bogen, wobei er nicht übermäßig differenziert in Ost und West unterteilt und vor allem in der Geografie Begründungen für die Dominanz einzelner Reiche im Lauf der Geschichte findet. Bislang unerreicht findet Osterhammel die Parallelbetrachtung westlicher und östlicher Machtentwicklung. Allerdings ist er skeptisch, inwieweit sich das Kräfteniveau wirklich zuverlässig messen und vergleichen lässt. Wirklich befriedigend kann auch Morris die Geschichte nicht in "Schemata und Gesetzmäßigkeiten" fügen, räumt der Rezensent ein, der aber den Langzeitbetrachtungen des Autors einiges abgewinnen kann. Denn die Befunde Morris', dass alle Zivilisationen, wie mächtig auch immer, irgendwann auch wieder untergehen, und dass die Veränderungen in der Welt maßgeblich von "faulen, habgierigen, furchtsamen Menschen" bewirkt werden, leuchten dem Rezensenten unmittelbar ein.
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