Jack El-Hai

Der Nazi und der Psychiater

Cover: Der Nazi und der Psychiater
Die Andere Bibliothek, Berlin 2014
ISBN 9783847703570
Gebunden, 317 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Henriette Heise. 1945, erst im luxemburgischen Mondorf-les-Bains, wo nach Kriegsende von der US-Armee ein Hotel zum Gefängnis für die Führungselite der Nazis umgebaut wurde, danach in Nürnberg, untersuchten amerikanische Militärpsychiater unter Leitung von Douglas M. Kelley die physische und psychische Verfassung der Elite des Naziregimes. Unter den 52 Nazi-Größen wie Dönitz, Hess, Keitel, Ribbentrop, Frank, Jodl, Speer oder Streicher war auch Hermann Göring, ehemaliger Chef der Luftwaffe, selbst ernannter Reichsmarschall und dominante Figur unter den Gefangenen. Der übergewichtig joviale Göring erschien mit einem Dutzend Koffern, Schmuck, seidener Unterwäsche, Zigarrenkisten, einem Vermögen an Geldmitteln und versteckten Zyankali-Kapseln. Der ambitionierte Psychiater Douglas M. Kelley sah in seinen Sitzungen mit den Gefangenen seine einzigartige Chance, das Böse im Menschen zu erforschen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2015

Fritz Göttler bekommt einen Eindruck vom Amerika der Nachkriegszeit, seiner produktivsten und wirrsten Epoche, wie Göttler schreibt, wenn er Jack El-Hais Buch über den Psychiater Douglas M. Kelley liest, der 1945 Nazigrößen wie Göring auf ihre psychische Verfassung hin untersuchen hatte. Die Verstörung und die Selbstsicherheit der Nation nach dem Krieg scheint sich für Göttler in der Figur Kelleys zu spiegeln, deren Größenwahn der Autor anhand seines Nachlasses rekonstruiert. Als Pulp-Roman mit einem Star-Aufklärer als Hauptfigur liest Göttler das Buch und erkennt, wie die Psychiatrie dereinst als politische Kraft genutzt wurde.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 24.01.2015

Norbert Zähringer liest  Jack El-Hais Geschichte des Psychiaters Douglas M. Kelley mit großem Interesse. Die Beziehung zwischen Kelley und Hermann Göring, den der Psychiater im Zuge der NS-Prozesse untersuchte, scheint ihm dabei weniger aufschlussreich zu sein als der zweite Teil des Buches, in dem der Autor Kelleys Zeit nach den Prozessen beschreibt. Dessen offensichtlich tiefe Verstörung und sein schließlicher Selbstmord mit Zyankali scheinen Zähringer zum Nachdenken anzuregen und zu der Frage, ob Kelley in Deutschland mit Göring und seiner Bande nicht die falschen Leute untersucht hat, weil es doch vielleicht nicht so sehr darum geht, wie man zum Mörder wird, sondern wie man widersteht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.12.2014

Mit Jack El-Hais Buch "Der Nazi und der Psychiater" ist Rezensent Rudolf Walther - trotz aller Recherche des Autors - äußerst unzufrieden. Durchaus interessiert liest er zunächst über das Verhältnis des amerikanischen Arztes und Psychiaters Douglas McGlashan Kelley zu seinem Patienten Hermann Göring, den er in der Haft in Nürnberg von seiner Tablettensucht befreien sollte, bald aber an den 22 von ihm betreuten Nazis Studien zur Frage nach einer spezifischen "Nazi-Psyche" vornahm. Während der Lektüre stellt der Kritiker jedoch zunehmend entsetzt und verärgert fest, dass der Wissenschaftsjournalist El-Hai die wissenschaftlich wenig haltbaren Befunde Kelleys, äußerst unkritisch wiedergibt und noch vereinfacht. "Küchenpsychologie von der Stange", ärgert sich der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.2014

Fasziniert hat Rezensentin Sybille Steinbacher Jack El-Hais Buch "Der Nazi und der Psychiater" gelesen, das die Geschichte des amerikanischen Psychiaters Douglas M. Kelley erzählt, aber auch die Nachkriegsgeschichte der Psychiatrie bis zu den Anfängen des Nürnberger Prozesses. Die Kritikerin erfährt darin, wie der Psychiater die Nürnberger Gefangenen betrachtete, denen er keine spezifisch deformierte NS-Psyche, sondern "Durchschnittlichkeit" attestierte. Das ist umso bemerkenswerter, als Steinbacher auch vieles über den Psychiater selbst lernt, der sich schließlich mit Zyankali in Gegenwart seiner Frau, seiner Kinder und seines Vaters umbrachte. Vor allem aber lobt die Rezensentin das Vermögen des Wissenschaftsjournalisten El-Hai, der hier Gesprächsnotizen, Testaufzeichnungen und Krankenberichte aus Nürnberg zusammengetragen hat, ein gelungenes Doppelporträt Kelleys und Görings zu zeichnen: Wie beide sich zu Helden stilisieren wollten, ist nicht nur interessant zu lesen, sondern auch "schön" erzählt, findet die Kritikerin.
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