Seweryna Szmaglewska

Die Unschuldigen in Nürnberg

Cover: Die Unschuldigen in Nürnberg
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783895615375
Gebunden, 536 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Marta Kijowska. In einem sturmgebeutelten Militärflugzeug reist Seweryna Szmaglewska aus den Trümmern Warschaus nach Nürnberg, wo die Überlebende des Frauenlagers Auschwitz Birkenau am 27. Februar 1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof gegen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher aussagen wird. Sie ist eine von nur zwei Augenzeugen aus Polen, die vor dem Tribunal über das Erlittene sprechen dürfen. Im kriegszerstörten, vorfrühlingshaften Nürnberg fragt sich die junge Frau besorgt, wie sie den Albtraum der KZ-Realität in Worte fassen und der enormen Verantwortung gegenüber ihrem zerstörten Heimatland gerecht werden soll. Untergebracht im Grand Hotel, wo sich die amerikanischen Offiziere - und mit ihnen die Zeugen, Verteidiger und Korrespondenten aus aller Welt - abends amüsieren, wird sie von dunklen Erinnerungen verfolgt: Sie misstraut der deutschen Bevölkerung, staunt angesichts der Ungerührtheit der Angeklagten, und bei Görings theatralischem Auftritt vor dem Gericht schaudert ihr. Wird es für ihre Generation Gerechtigkeit und eine Zukunft geben? In "Die Unschuldigen in Nürnberg", halb Erlebnisbericht, halb Roman, schildert die später zu literarischem Ruhm gelangte Schriftstellerin Seweryna Szmaglewska aus erster Hand einen der wichtigsten Prozesse der Nachkriegszeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.06.2022

Rezensent Wolfgang Schneider hält das Buch der Zeitzeugin Seweryna Szmaglewska über ihre Erlebnisse als Zeugin vor dem Nürnberger Gerichtshof für ein wichtiges Dokument. Weil die Autorin den Wechsel von Fakt zu Fiktion oft nicht eindeutig ersichtlich macht und zu "Weitschweifigkeiten" neigt, liest er den Text allerdings mit einer gewissen Vorsicht. Die Passagen, in denen die Autorin den verstörend raschen Einzug des Alltags im Deutschland von 1946 beschreibt oder die nunmehr machtlosen Nazis auf der Anklagebank, erscheinen Schneider jedenfalls lesenswert. Dafür sorgt laut Rezensent nicht zuletzt Szmaglewskas "expressive" Schreibweise.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.03.2022

Bestürzt folgt Rezensent Bernd Noack den Erzählungen Seweryna Szmaglewskas, der polnischen Zeugin im Nürnberger Prozess gegen die Verbrecher des Nationalsozialismus. Die Auschwitzüberlebende schildert "minuziös, quälend" den Hergang des Prozesses und den absurden Kontrast, wenn sie die beteiligten Staatsanwälte und Verteidiger in weinseliger Stimmung bei abendlichen Festen beobachtet, berichtet der Rezensent, der ebenso bestürzt wie die Autorin deren weitere Beobachtungen von einer verlogen anmutenden, zersetzenden Normalität wiedergibt. Szmaglewska schildert das in einer Mischung aus Roman und Autobiografie und einer ebenso verzweifelten wie "widerborstigen Sprache" und einem "unerbittlichen Ton", erklärt der beeindruckte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.02.2022

Rezensent Jörg Plath liest bewegt die Mischung aus Roman und Erlebnisbericht der Auschwitzüberlebenden Seweryna Szmaglewska, die als einzige polnische Zeugin im Nürnbergerprozess gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher aussagte. Beschreibungen der Befremdung, die Szmaglewska während des Prozesses im Land der Täter empfindet, reißen den Rezensenten nicht so mit wie die Porträts der Personen, denen die Zeugin wieder begegnet, sowohl in Gedanken als auch physisch, die Plath in ihren Bann ziehen: die mitinhaftierte Pianistin, die um hier Leben spielte, oder der verschollene Freund, den sie im Männerlager wiederfand. Auch wenn es der Autorin kaum gelingt, die Spannung in weniger gefährlichen Situationen zu halten, vermag sie es, die grausamen Verbrechen an der Menschheit mit bestechender Intensität zu schildern. Vom Verlag hätte sich der Rezensent mehr Einordnung gewünscht, ihm fehlt die Erwähnung, dass Szmaglewska es erst 1972 über sich brachte, ihr Werk zu vollenden und auch ein Nachwort sucht er vergebens.