Jenny Odell

Nichts tun

Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen
Cover: Nichts tun
C.H. Beck Verlag, München 2021
ISBN 9783406768316
Gebunden, 296 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Annabel Zettel. Wir leben inmitten einer kapitalistischen Aufmerksamkeitsökonomie, die unsere Sinne und unser politisches Bewusstsein verkümmern lässt. "Nichts tun" ist der Aufruf, unser Leben fernab von Effizienzdenken und Selbstoptimierung zurückzuerobern. Unsere Aufmerksamkeit stellt die wertvollste Ressource dar, über die wir verfügen. Im Effektgewitter kommerzieller Internetplattformen wie Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok wird sie jedoch permanent überspannt. Jenny Odell plädiert in ihrem Buch auf eindrückliche Weise für ein radikales Innehalten, statt unsere kostbare Freizeit weiter an die kurzfristigen Verlockungen der Aufmerksamkeitsökonomie zu verschwenden. Nur über bewusste Formen des Nichtstuns finden wir heute noch zu uns selbst: etwa wenn wir uns phasenweise wieder in unsere natürliche Umgebung zurückzuziehen lernen, die Kunst der Naturbeobachtung kultivieren und authentische Begegnungen mit anderen zulassen. Odell versteht ihre Anleitung zum Nichtstun gleichsam als Akt des politischen Widerstands, um der notorischen Selbst- und Naturzerstörung im Kapitalismus etwas entgegensetzen und die Forderung nach demokratischer Partizipation und Solidarität mit Leben zu erfüllen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.08.2021

In einem ausufernden Essay, der sehr viel von der Aufmerksamkeit verlangt, die das Internet uns angeblich raubt, würdigt Katharina Laszlo den viel gefeierten kulturkritischen Essay der amerikanischen Künstlerin Jenny Odell, die eine Art pragmatische Radikalkritik des Internets anzustreben scheint. Das Internet stellt Laszlo dabei als eine "spätkapitalistische" Veranstaltung dar, die uns nicht nur die besagte Aufmerksamkeit, sondern auch alle Achtsamkeit raubt. Odell unterscheide sich aber von anderen Internetkritikerinnen wie Shoshana Zuboff darin, dass sie keine staatliche Intervention oder eine Abschaffung von Werbung oder Ähnliches fordert, erklärt Laszlo - sie predige viel mehr eine Ethik des individuellen Verzichts, von der sie sich eine Graswurzelbewegung erhoffe. Odell macht es vor, so die Rezensentin, indem sie das Internet nutzt, um sich ihm zu entziehen: Mittels Handyapps und Google Maps identifiziert sie in bewusst zweckfreien Spaziergängen Pflanzen. Laszlo kann der Autorin in den meisten Diagnosen des Essays folgen, beklagt aber seine "reaktionäre kulturkritische" Seite, die Odell für bestimmte, auch positive Aspekte der Internets blind mache.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2021

Rezensentin Aurelie von Blazekovic stimmt der Autorin zu, es sei eine gute Maxime, aufmerksamer für die "echte Umgebung" zu sein. Weg von den digitalen Endgeräten und lieber mal den Vögeln zuhören sei aber in diesem Text durchaus keine Aufforderung zum Aussteigen und auch keine Maschinenstürmerei, so die Kritikerin. Vielmehr solle der Mensch bei Odell wieder mehr "Tier" sein können, also körperlich verortet - aber dann auch "antikapitalistisch" ausgerichtet und sich seiner Verantwortung bewusst. Tatsächlich wirken die Positionen von Autorin und Kritikerin am Ende gleichermaßen ein wenig esoterisch und beliebig.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14.03.2021

Rezensent Mark Siemons ist sehr enttäuscht davon, wie die Künstlerin Jenny Odell das Thema Nichtstun angeht. Was zu einer Anleitung zum revolutionären Umgang mit digitalen Plattformen hätte werden können, erklärt Siemons seine Ernüchterung, gerät zu einer Auflistung von Lektürefunden von John Cage über Deleuze bis Seneca, die die Autorin weder auf die heutige Aufmerksamkeitsökonomie anzuwenden noch in einen gedanklichen Zusammenhang zu stellen weiß. Für Siemons eine vertane Gelegenheit.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.02.2021

Rezensentin Vera Linß schließt sich Jenny Odell an, die in ihrem Buch dafür plädiert, sich dem Aufmerksamkeits- und Produktivitätsdiktat der sozialen Medien und der digitalen Welt zu entziehen - ohne dabei aber auf eine Abschottung von der Realität aus zu sein, wie Linß betont. Vielmehr gehe es um eine Neuorientierung der eigenen Wahrnehmung hin zum realen Raum. Viele praktische Tipps erhält die Rezensentin dafür von der Künstlerin und Wissenschaftlerin zwar nicht, genießt aber den Ausflug in die Geschichte des Nichts-Tuns: So erfährt sie etwa von einem Schreiber im 19. Jahrhundert, der seinen Vorgesetzten durch Schweigen provozierte. Ein "überzeugendes Plädoyer" für die Befreiung vom Produktivitätszwang, meint Linß.