Jhumpa Lahiri

Melancholie der Ankunft

Erzählungen
Cover: Melancholie der Ankunft
Karl Blessing Verlag, München 2000
ISBN 9783896671103
Gebunden, 251 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Barbara Heller. Es sind Lahiris Figuren, die so seltsam berühren und den besonderen Zauber dieser Geschichten ausmachen. Da ist der Ich-Erzähler aus "Der dritte und letzte Kontinent", der, ironisch und anrührend zugleich, seinen langen Weg über drei Kontinente, von Kalkutta über England bis in die amerikanische Universitätsstadt Cambridge, schildert; da ist die Inderin Mrs. Sen, die ihre ganze Sehnsucht nach der verlorenen Heimat in der Freundschaft mit einem kleinen amerikanischen Jungen zu kompensieren sucht. Und da sind Shoba und Shukumar, das junge Ehepaar aus Geschichte "Eine vorübergehende Angelegenheit". Seit Shoba durch eine Fehlgeburt ihr lang ersehntes Baby verloren hat, ist ihre Ehe mit Shukumar aus dem Lot geraten. Während einer fünftägigen abendlichen Stromsperre beschließen die beiden, die Zeit im Dunkeln zu überbrücken, in dem sie sich abwechselnd etwas aus ihrem Leben erzählen - und zwar etwas, das sie dem anderen bislang verschwiegen haben. Ein gefährliches Unterfangen, wie sich am letzten Tag des Stromausfalls zeigt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.03.2001

Andreas Lehmann kann nicht umhin, sich über das "mediale Trommelfeuer" in den USA und auch in Deutschland zu beschweren, das der Literaturbetrieb für die 33-jährige Jhumpa Lahiri geschürt hat. Sicher, gibt der Rezensent zu, kaum jemand hat für ein erzählerisches Debüt gleich den Pulitzer-Preis eingeheimst, kaum jemand erhält die begehrte Auszeichnung überhaupt. Trotzdem findet er den Medienhype übertrieben und die Zuwendung für die "Inderin in Amerika" maßlos. Hier würden Erwartungen aufgebaut, die Lahiris Kurzgeschichten überhaupt nicht erfüllen könnten. Und müssten. Der Rezensent ist erfreut darüber, dass Lahiri unprätentiös und vor allem alles andere als melancholisch vom Leben indischer Einwanderer erzählt. Vom Leben in der Fremde, das gar nicht so fremd und voller kultureller Spannungen ist wie die medialen Lahiri-Fans behaupten. Die Kurzgeschichten sind, so Lehmann, vielmehr Miniaturen menschlicher Missverständnisse, sprachlich wohlformuliert, "glatt" und "geschmeidig". Unspektakulär und doch spannend. Exotisch im Zwischenmenschlichen, nicht im Interkulturellen, meint der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.03.2001

Ilja Trojanow zeigt sich zwar durchaus hingerissen von der ersten Geschichte dieses Erzählbandes, in der ein Ehepaar mit einer Totgeburt fertig werden muss, was die Autorin seiner Ansicht nach mit sehr viel Einfühlungsvermögen und "genauem Blick" geschildert hat. Doch schon bei den folgenden Erzählungen macht sich beim Rezensenten Enttäuschung breit. Besonders die Geschichten, die in Kalkutta spielen, geben nach Trojanow nicht viel her: zu glatt, "übermäßig beherrscht, kontrolliert, leidenschaftslos" erscheinen sie ihm, mit ein wenig "exotischem Reiz" zwar, aber sonst wenig interessant. Nach seiner Meinung scheitert die Autorin in vielen ihrer Geschichten an dem Anspruch, "aus wenigen Strichen eine ganze Welt entstehen zu lassen". Zu oft sind die Erzählungen letztlich belanglos, meint Trojanow, was für ihn nicht zuletzt daran liegt, dass Lahiri zu wenig riskiere. Zu stark orientiere sie sich am "Sicherheitsnetz der amerikanischen Short-Story-Konvention", wobei sie Überraschendes oder Irritierendes zu Trojanows Bedauern vermeidet.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.11.2000

Elke Schmitter lässt es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Autorin um eine "ebenso glut- wie mandeläugige" Amerikanerin bengalischer Abstammung handelt. Mmh. Hat dies eine Einfluss auf die Bewertung des Buch? Schmitter jedenfalls findet es beinahe rundum gelungen. Meist gehe es hier um Menschen, die irgendwo ankommen, jedoch alles anders vorfinden, als sie es erwartet haben. Dass dies nicht trivial erscheint, liegt nach Schmitter an der erzählerischen Stärke der Autorin. Die Geschichten lesen sich ihrer Ansicht nach durchaus spannend, und auch von Dramatik verstehe Lahiri eine ganze Menge. Einen Schwerpunkt sieht die Rezensentin in den Konflikten der Personen mit ihrem eigenen Ich, aber auch mit der Außenwelt. Manche der Geschichten jedoch beurteilt Schmitter "- vielleicht nur: noch - ganz und gar inhaltistisch", was sie allerdings weitgehend verzeihlich zu finden scheint.
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