Joachim Bessing

Wir-Maschine

Roman
Cover: Wir-Maschine
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), Stuttgart - München 2001
ISBN 9783421052988
Gebunden, 205 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Wenn dir das Leben die Hand reicht, greife zu - Erfolg, Ruhm, Sex, schöne Dinge. Als der Student Gumbo eines Nachts in einem Hamburger Szenelokal von der Werberin Barbara aufgelesen wird, um tags darauf in ihren Latexlaken aufzuwachen, glaubt er sich vor seinem endgültigen Durchbruch. Doch das Leben ist bitter, Erfolg und schöner Schein entpuppen sich nur zu oft als bloßer Tand, dem die Seele fehlt. Ob der Erfolg nun winkt oder nicht: Gumbo ist längst Opfer der alles verschlingenden WIR-MASCHINE.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.08.2002

Wer zu spät kommt, den bestraft der Rezensent. In diesem Fall Susanne Balthasar, die lakonisch urteilt, das Buch wirke "schon beim Start wie ein Auslaufmodell". Mit diesem Roman werde Joachim Bessing zwar zum Pop-Schriftsteller, nur leider sei deren Zeit eben abgelaufen. Und so kann sie der Geschichte über den desorientierten Gumbo, der vom Glamour träumt und sich in Barbara verliebt, nicht sehr viel abgewinnen. "Wie hübsch", lautet ihr Kommentar und befindet, das Buch sei "zwar schnell konsumierbar, aber für den Titel Qualitätsprodukt reicht es dann doch nicht". Selbst als die Geschichte dramatischer wird, Bomben und Junkies und Döner-Buden explodieren, bleibt der Text für die Rezensentin "spröde". Vage meint sie den Ansatz Bessings erkannt zu haben: die Frage, was übrigbleibt vom rigiden Ästhetizismus, wenn sich die Umwelt auflöst. "Das sei "reichlich wenig" für einen Roman, zuwenig auf jeden Fall für Susanne Balthasar. "Am Ende ist es wie nach einem langen Werbeblock, wenn man sich vor lauter Spots an kein Produkt erinnern kann."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.11.2001

Thomas Steinfeld macht sich genüsslich über Bessings "Wir-Maschine" her, ein Erstlingsroman, den er keineswegs für einen Abgesang auf die Popliteratur hält, zu deren Vertretern Bessing als Mitglied des sogenannten "popkulturellen Quartetts" als fünftes Rad am Wagen (Generation Golf) zu zählen ist. Auch wenn Bessing wie der Kollege Kracht in seinem jüngsten Roman mit den Katastrophen liebäugele, heißt das für Rezensent Steinfeld noch lange nicht, dass man nun plötzlich die Moral entdeckt habe. Wahres Dandytum mache sich einfach besser vor düsterem, gar apokalyptischen Hintergrund. Weshalb für Steinfeld Bessings Roman schlicht die "Frage nach dem Stil unter verschärften Bedingungen" aufwirft. Stilistisch wiederum arbeitet sich Bessing mühselig an dem hehren Prinzip der Unverwechselbarkeit ab, weshalb er zu "allerhand poetischen Erfindungen" greift, die Nähe, "Dabeisein" suggerieren sollen und in Steinfelds Augen einen klaren stilistischen Fehlgriff bedeuten. Auch der unvermeidliche Verweis auf Bret Easton Ellis und sein "Glamorama" fehlt bei Steinfeld nicht, der sich am Ende zu dem bösen Vergleich hinreißen lässt, Bessing verhalte sich zu Ellis wie Peter Maffay zu Bruce Springsteen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2001

Popliteratur ist es nicht, was diese drei Autoren aus der Popliteratenszene diesmal produziert haben, behauptet Gerrit Bartels. Allerhöchstens auf der Oberfläche findet der Rezensent noch einige Spuren davon.
1) Rebecca Casati: "Hey hey hey"
Am schwächsten findet Bartels das Buch von Rebecca Casati. Zwar erkennt er den Bogen, den sie im Roman zu spannen versucht, als Abhandlung über Bindungsunfähigkeit und Orientierungslosigkeit. Doch was dabei herausgekommt, ist nach Bartels Ansicht nicht mehr "als Junk-Food für Allegra- Leser und Men's Health - Leserinnen".
2) Christian Kracht: "1979"
Über echte Verzweiflung schreibt laut Bartels dagegen Christian Kracht, der "die Geschichte des Verschwindens konsequent fortgeschrieben" habe. Vom Teheran kurz vor der islamischen Revolution in ein chinesisches Arbeitslager verschlägt es den Protagonisten, und das liest sich für den Rezensenten "wie ein ganz subtiler Splatterroman, wie die totale Schwindsucht".
3) Joachim Bessing: "Wir-Maschine"
Auch in Joachim Bessings "Wir Maschine" scheint der Pop keinen Ausweg mehr zu finden: Am Ende liegt Hamburg nach einem Terroranschlag in Trümmern. Eine deutsche, schwerere Variante von Frederic Beigbeders "39,90" ist das Buch nach Bartels Ansicht, und er findet, dass es Bessing bisweilen ganz gut gelingt "die leeren Werberseelchen darzustellen". Stilistisch liege Bessing zwar gelegentlich daneben, aber das sieht Bartels dem Autor angesichts der vielen Action in dem Buch nach - die gefällt ihm nämlich richtig gut. "Da dräut und schwurbelt es, da fällt man in Zeit- und Bedeutungslöcher", und es gibt eine Menge "Surreal-Psychedelisches" zu erleben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Kein gutes Haar lässt der Rezensent Sacha Verna am Romandebüt Joachim Bessings, von dem er vermutet, dass er sich mit "dieser hinkenden Parabel auf unsere luxuriös verrohte Welt" von seinem popliterarischen Etikett befreien wolle. Weder bringe er in seiner im Medienmilieu angesiedelten Geschichte inhaltlich irgendetwas Neues, was nicht auch schon von Houellebecq oder Beigbeder thematisiert worden sei, noch sei der Roman ansprechend präsentiert: "Während sich Joachim Bessing dramaturgisch an der Clip-Ästhetik orientiert, schwört er stilistisch auf Eintopfküche". Nicht einmal ansprechende Protagonisten seien zu auszumachen: "nichts als Sprücheklopfer und Klischeeträger". Dazu versehe Bessing seine Geschichte noch mit "einem pädagogischen Touch", was den Roman nach Vernas Ansicht schließlich vollständig ungenießbar macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.09.2001

Dafür, dass Stephan Maus dieses Buch literarisch eigentlich bloß für ein weiteres "konventionell verarbeitetes Modell der Geration Golf" hält, widmet er sich dem Ganzen mit einem erstaunlichen Aufwand an kritischer Energie. Wie kommt's? Maus sieht in Bessing einen "geziert formulierenden Decadent mit gesellschaftskritischem Impetus", der aus seinen Helmut-Lang- Hosen inzwischen ein wenig herausgewachsen ist. Nur im Hintergrund des Textes hört man die Ego-Turbine noch schnurren. Und nach ein paar stilistischen Fehlzündungen in der Exposition läuft die Wir Maschine auch einigermaßen geschmiert und saust sogar richtig los, wenn der Roman "von satirischem Realismus ins phantastische Genre" kippt - viel zu selten, leider. Alles in allem scheint das jedoch zu genügen, um dem Buch seine Beigbeder-Ellis-Remake-Tendenzen nicht zum Verhängnis werden zu lassen. Wie schlimm nur muss es da einst um den Autor gestanden haben!
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