Joanna Bator

Bitternis

Roman
Cover: Bitternis
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431313
Gebunden, 829 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Lisa Palmes. Kalina Serce, jüngster Spross einer Frauendynastie, Erforscherin einer düsteren Familiengeschichte, betritt eine Villa, die lange Zeit unbewohnt war. Sie tastet nach dem Ebonit-Schalter aus der Vorkriegszeit, um Licht zu machen - eine Ankunft im Unvertrauten. Mit diesem Haus, der früheren Pension Glück im schlesischen Langwaltersdorf, hat es seine eigene Bewandtnis. Hier traf sich Kalinas Urgroßmutter Berta mit ihrem Geliebten. Berta träumt von einer Flucht mit ihm nach Prag, die der Vater verhindert. Der Hass auf ihn wird so groß, dass sie zu einer ungeheuren Tat schreitet. Joanna Bator erzählt von weiblichen Lebensentwürfen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.12.2023

829 Seiten von diesem großartigen Roman sind Rezensent Franz Haas fast zu kurz: Joanna Bators um das "Epizentrum" Walbrzych in Schlesien angesiedelten Romane gefallen ihm alle, dieser hier aber besonders gut. Hier stehen vier Frauengenerationen im Fokus, denen von der deutsch-polnischen Geschichte des Ortes ebenso übel mitgespielt wird wie von der Männerwelt, erfahren wir: Urgroßmutter Berta, Großmutter Barbara und Mutter Violetta machen "ungewollte Bäuche" zu einer Art Familientradition, erst Tochter Kalina sucht sich aus diesen familiären Unglücken - vom Sitzengelassenwerden bis Sterben im Wochenbett - zu befreien, gerne hätte Haas erfahren, ob diese Bestrebungen erfolgreich sein werden. Die Chronologie der Entwicklungen muss sich der Kritiker aus den "glänzenden Mosaikteilchen" selbst zusammensetzen, das macht ihm aber bei diesem "Fest des gewitzten Erzählens" gar nichts aus. Unbedingt eine Leseempfehlung!

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.12.2023

Rezensent Franz Haas bedauert, dass Joanna Bators hundert Jahre umspannende Familiengeschichte aus dem niederschlesischen Walbrzych "schon" nach rund 800 Seiten zu Ende ist. Den unterhaltsamen Fortgang der Auseinandersetzungen der weiblichen Hauptfiguren mit ihren nichtsnutzigen Männern und der niederträchtigen Geschichte kann sich Haas mühelos vorstellen. Bators "wimmelndes" Erzähluniversum und ihre ironisch blinkende leichte Prosa, die Lisa Palmes laut Haas kongenial übertragen hat, bieten "schreckenskomische" Unterhaltung, verspricht der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.12.2023

Joanna Bator kennt Rezensent Fokke Joel als wichtigste schlesische Autorin neben Olga Tokarczuk. Ihr Können beweist sie ihm auch mit diesem großen Familienroman, der vier Generationen von Frauen in Oberschlesien porträtiert. Kalina, die Ich-Erzählerin, ist die Jüngste, erfahren wir, ihre Urgroßmutter flieht vor der Unterdrückung des Vaters in eine Beziehung, wird schwanger, brennt durch und stirbt bei der Geburt ihres Kindes. Den nachfolgenden Generationen geht es nicht viel besser, erst Kalina kann mit dieser traumatischen Linie brechen. Das ist zwar ziemlich bitter, räumt Joel ein, aber auch zutiefst menschlich - ein Roman, der trotz des Schlesien-Bezugs allgemeingültige "Welthaltigkeit" aufweist, resümiert er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.11.2023

Als "Wimmelbild" von vier Frauen(generationen) und den Traumata, die zwischen ihnen weitergegeben werden, liest Rezensent Jörg Plath den neuen Roman der polnischen Autorin Joanna Bator, der wieder in Niederschlesien angesiedelt ist. Die Leben von Berta, Barbara, Violetta und Kalina sind nicht nur mit der Geschichte der letzten hundert Jahre verwoben, sondern auch untereinander durch die "männerförmigen Löcher"verbunden - alle Männer hauen ab, sie müssen alleine klarkommen. "Mitreißend und erhellend" findet Plath diese Geschichte über das Durchkämpfen in einer patriarchal geprägten Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2023

Eine in jedem Sinne große Familiensaga liest Rezensentin Maja Beckers im neuen, über 800 Seiten umfassenden Roman der polnischen Autorin Joanna Bator: Vier Frauengenerationen werden uns vorgestellt, deren Leben sich in Niederschlesien abspielt. Gut geht es diesen Frauen nicht wirklich, erfahren wir, Berta, die Urgroßmutter, wird ungewollt schwanger, ihre Tochter, die Großmutter Barbara wird Messi, Mutter Violettas Träume sind zu groß für die Welt, die ihrer Tochter Kalina fast zu klein - sie alle eint, dass sie sich alleine durchschlagen müssen. Auch ist ihr Leben geprägt von "männerförmigen Löchern" - der kompletten Abwesenheit der Männer. Diese vier Lebensgeschichten verwebt Bator zu einem hyperrealistischen Netz, das neben der Tristesse auch Raum lässt für tragikomischen Humor, befindet Beckers, der hier die zeitlose Frage danach begegnet, was mit dem Leben anzufangen ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.11.2023

Rezensentin Marie Schmidt empfiehlt, Joanna Bators epischen Roman nicht nur zu lesen, sondern auch zu riechen. Sinneswahrnehmungen und auch Körperlichkeit spielen eine zentrale Rolle in dieser Familiengeschichte, die vier Generationen von Frauen ins Zentrum stellt, erfahren wir. Berta, Barbara, Violetta und Kalina heißen sie, führt Schmidt aus: Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Tochter, letztere ist auch die Erzählerin. Schauplatz ist das polnische Wałbrzych, die Handlung setzt in den 1930er Jahren ein und ist auch von historischen Zäsuren geprägt. Es geht laut Rezension um sich wiederholendes Leid, Männer tauchen meist nur kurz auf, was dagegen bleibt, sind die Frauen und ihr mit viel Gespür für sinnliche Details beschriebener Alltag. Schmidt vergleicht den Roman mit Gabriel García Márquez' "Hundert Jahre Einsamkeit", legt aber Wert darauf, dass es sich bei Bators Buch um eine dezidiert weibliche Geschichte handelt. Kein Buch, das sich schnell weg liest, aber eines, das lange nachwirkt, auch aufgrund Lisa Palmes' sehr guter Übersetzung, so das Fazit.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.11.2023

Hin und weg ist Rezensentin Beate Tröger von Joanna Bators Roman. Nicht chronologisch, sondern nach Art eines Puzzles oder auch der psychoanalytischen Methode erzählt das Buch, lernen wir, eine Familiengeschichte, die vor allem die Geschichte von vier Frauen ist: die Erzählerin Kalina, ihre Mutter Violetta, ihre Großmutter Barbara und ihre Urgroßmutter Berta. Schauplatz ist hauptsächlich Niederschlesien erfahren wir, und die wechselvolle Geschichte dieser Gegend ist ein Grund für die düstere Grundierung des Romans, der von der Abwesenheit der Männer geprägt ist. Besonders hart erscheint in Trögers Rekonstruktion das Schicksal Bertas, die ohne Mutter aufwächst und von ihrem Vater, einem Hitleranhänger, gedemütigt und zu sadistischen Spielen gezwungen wird. Violetta wiederum findet in ihrem Leben keine Ruhe und erreicht nicht, was sie will, fährt die Rezension fort. Begeistert ist Tröger von der Art und Weise, wie Bator Orte stimmungsvoll auflädt, und auch davon, wie sie die komplexe, ausufernde Geschichte mithilfe wiederkehrender Motive und Redewendungen zu einem Ganzen formt. Die Rezensentin stellt Vergleiche zu Isabel Allende und Gabriel García Márquez an und lobt das Buch zum Abschluss als gleichzeitig märchenhaft und lebensecht.