Jochen Kelter

Hall oder Die Erfindung der Fremde

Roman
Cover: Hall oder Die Erfindung der Fremde
Klöpfer und Meyer Verlag, Tübingen 2005
ISBN 9783937667676
Gebunden, 252 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

"Hall oder Die Erfindung der Fremde" erzählt die Geschichte der venezianischen Tonsetzerin und Musikantin Mariana Caldi, in der Freunde alter Musik womöglich die Konturen einer historisch verbürgten Musikerin erkennen, deren Leben aber keineswegs in historisierender Absicht nacherzählt wird, sondern neu erfunden wird.
Mariana, uneheliches Kind eines Poeten und Librettisten, erhält ihre musikalische Ausbildung von einem Schüler Monteverdis, einem Freund ihres Vaters, und steigt ganz allmählich zur gefeierten Komponistin auf, die ihre Werke als Sängerin auch selbst aufführt. Geschildert werden nun aber weder ein Postkarten-Venedig noch eine Karriere aus dem Zeitalter des Barock, vielmehr: das Leben, die Sorgen und Ängste einer Künstlerin unter den verschärften Bedingungen des 17. Jahrhunderts, in dem Musikerinnen ein Leben entweder als Nonne oder als Hetäre zu führen hatten. Mariana, auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn, entscheidet sich fürs Kloster ?
Marianas Geschichte wird erzählt von Hall, dem Spezialisten für italienische Geschichte und Kultur. Um sie aufzuschreiben, zieht er sich im Winter aus dem Leben, das ihm in letzter Zeit einigermaßen übel mitgespielt hat, in ein Dorf auf der Peloponnes zurück, ahnt, erkennt, daß er ausgerechnet durch den Liebhaber der von ihm geliebten Frau, einen italienischen Architekten, in illegale Geschäfte in den Balkankriegen der neunziger Jahre verwickelt worden ist.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.08.2005

Ein Roman mit zwei Geschichten hat Jochen Kelter geschrieben, die so Rezensentin Beatrice Eichmann-Leutenegger, in verschiedenen Jahrhunderten spielen und lediglich nach dem "Prinzip der Ähnlichkeit" synchronisiert sind. So reise Anfang der 1990er Jahre der Held des einen Erzählstrangs in den Balkan über Venedig, wo die Heldin des im 17. Jahrhundert spielenden Teils gerade Karriere als Sängerin und Komponistin mache. Gemeinsam haben Held und Heldin auch, dass ihre Geliebten im jeweils anderen Jahrhundert jeweils anders vom Erdboden verschwinden. Die eine als potenzielle Waffenschieberin mit der Kreditkarte des Kunst- und Wirtschaftshistorikers Georg Friedrich Hall. Während der andere, ein venezianischer Händler, nicht von einer Schiffsreise zurückkehre. Beide Teile, so die Rezensentin, seien "geschickt arrangiert", doch hinterlasse die Lebensgeschichte der "eigenständigen" Sängerin Mariana Caldi beziehungsweise Kelters "farbenreichen" Porträt der Seerepublik Venedig einen dominanten Eindruck. Der Autor zeige sich als Meister der "Modulationen" und "delikat angedeuteten Stimmungen". Am Ende des Romans habe sich Mariana ins Kloster zurückgezogen und meide den Blick aufs offene Meer. Wie es dem Kunsthistoriker zwei Jahrhunderte später ergeht, verrät die Rezensentin noch nicht.
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