Jochen Schimmang

Laborschläfer

Roman
Cover: Laborschläfer
Edition Nautilus, Hamburg 2022
ISBN 9783960542780
Gebunden, 328 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Rainer Roloff führt ein zurückgezogenes Leben. Fragte man ihn nach seiner "Erwerbsbiografie", so würde er sich als "Privatgelehrter" bezeichnen. Struktur bekommt sein Leben dank einer Langzeitstudie zum Einfluss des Schlafs auf das Gedächtnis, an der er als Proband teilnimmt. Dafür reist er regelmäßig von Köln nach Düsseldorf, selbst in Zeiten der Pandemie, um im Labor seine an das Aufwachen anschließenden Gedanken zu Protokoll zu geben.Roloff, ein Jahr älter als die Bundesrepublik, ist ein idealer und ergiebiger Proband, mit einem Elefantengedächtnis und Aufmerksamkeit für den Zusammenhang zwischen dem kollektivem Unbewussten und der individuellen Erinnerung. Dr. Meissner, der die Studie leitet, findet überwiegend "sehr gelungen", was sein Proband ihm in einer Mischung aus zeitgeschichtlicher und persönlicher Erinnerung und spielerisch-absurder Noch-Traum-Logik erzählt. Doch dann gerät das Gedächtnis des Schlafforschers selbst aus dem Gleichgewicht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.05.2022

Rezensent Helmut Böttiger feiert Jochen Schimmangs Roman als melancholische wie humorvoll gelassene Zeitreise in die alte Bundesrepublik. Der Kniff, mit dem der Autor loslegt (Langzeitstudie im Schlaflabor triggert biografische Splitter aus "bundesdeutschen Gefühlslandschaften"), und der schillernde Protagonist ziehen Böttiger ins Geschehen. Die Barschel-Affäre, die Talking Heads, Schauspielerinnen und Schriftsteller tauchen auf und kreieren laut Böttiger die Atmo jüngerer Zeitgeschichte. Die ironische Distanz des Autors zu seinem lustvoll und sinnlich ausgebreiteten Stoff gefällt dem Rezensenten gut. Schimmangs Held, ein Proust der Gegenwart?

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.04.2022

Rezensent Jörg Magenau beobachtet in Jochen Schimmangs neuem Roman, wie der Autor mithilfe der Träume und Gedanken seines von der bundesrepublikanischen Geschichte geprägten Protagonisten hinterfragt, ob es ein kollektives Gedächtnis gibt. Dafür nimmt der Ich-Erzähler Rainer Roloff, ein Kind der Kölner Nachkriegszeit mit, laut eigener Aussage, "gebrochener Erwerbsbiografie", an einem Forschungsprojekt im Schlaflabor Düsseldorf unter dem jungen, verwirrten Studienleiter Dr. Meissner teil. Die Erinnerungsfragmente des Protagonisten ergeben die Romanhandlung, bleiben aber so individuell, dass sich kein allgemeiner Mehrwert ergibt - das Projekt des Arztes ist schließlich  zum Scheitern verurteilt. Der Roman aber leider auch, seufzt Magenau, denn auch, wenn Schimmang sich bemühe, bundesdeutsche Geschichte aus aktuellem Blickwinkel entstehen zu lassen, ist das Buch für den Kritiker doch eher altmodisch und ein "Dokument altlinker Denkweisen".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.04.2022

Rezensent Martin Oehlen amüsiert sich bestens mit dem neuen Roman von Jochen Schimmang und vergisst darüber fast die Frage, ob der Autor und sein Held Rainer Roloff, ein melancholischer Privatgelehrter, gleichzusetzen sind. Der Kritiker begleitet jenen Roloff zwecks Schlafforschung von Köln nach Düsseldorf, der Kampf zwischen den beiden Rheinmetropolen wird natürlich aufgegriffen, ansonsten geht es viel um bundesrepublikanische Erinnerungen, Alltags-Erfolge und Niederlagen, erfahren wir. Der Mix aus Verweisen auf Barschel-Affäre, Mauerfall, Pandemie, Zitaten aus Kunst und Literatur und ein paar gar nicht üblen "Kalauern" hat Oehlen gefallen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.04.2022

Rezensent Oliver Pfohlmann hat den Eindruck, Jochen Schimmangs Roman könnte "ewig so weitergehen", und meint das aber ausdrücklich nicht negativ. Wie in dessen letztem Roman, so Pfohlmann, geht es wieder um die Bonner Republik, an die dieses Mal ein "rüstiger" Mittsiebziger namens Rainer Roloff zurückdenkt - vorzugsweise träumend in einem Schlaflabor, dessen Aufsuchen der Figur eine wichtige Verbundenheit zur Gesellschaft bedeutet. Dabei führe der Roman recht "mäandernd" und bruchstückhaft durch Roloffs Erinnerungen, vom Nachkriegsköln über den Fall Barschel bis zu seiner verflossenen Liebe. Anders als im Vorgängerroman gebe es neben der Melancholie aber auch viel "Ratlosigkeit" und eine Angst, nicht mehr dazuzugehören, wie der Kritiker interessiert vermerkt. Auch der Erzählstrang über den zunehmend dementen Leiter der Schlafstudie gefällt ihm in diesem und "wunderbar erzählten" und "scharf beobachtenden" Roman. Einzig, dass die Pandemie, in deren Gegenwart der Roman spielt, so überhaupt nicht scharf beobachtet werde, versteht Pfohlmann nicht ganz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2022

Rezensent Patrick Bahners weiß so recht nicht, was zu beginnen mit Jochen Schimmangs in Tagebuchform gehaltenen Roman über einen Honorar-Soziologen und gelegentlichen Schlaflabor-Probanden, der viel reist, sich erinnert und schaut, aber ohne große Erkenntnis. Alles, was es zu erkennen gibt, über die Figur, über die beiläufig miterzählte Geschichte der Bundesrepublik, ist von Anbeginn da, meint Bahners. Wozu der Roman dann gut ist? Je nach Alter kann der Leser sich und seine eigene Welt darin wiedererkennen, meint der Rezensent.
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