Joel Kotek, Pierre Rigoulot

Das Jahrhundert der Lager

Gefangenschaft, Zwangsarbeit, Vernichtung
Cover: Das Jahrhundert der Lager
Propyläen Verlag, Berlin/München 2001
ISBN 9783549071434
Gebunden, 768 Seiten, 35,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Enrico Heinemann u.a. Die erste große Bilanz der Lagersysteme des 20. Jahrhunderts - vom Burenaufstand bis zu den Balkankriegen, von den Vernichtungslagern der Nazis bis zu den Zwangsarbeitslagern des sowjetischen Gulag und des chinesischen Laogai.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.03.2002

Herfried Müller räumt ein, dass eine Schwierigkeit, dieses Buch zu rezensieren darin besteht, die aufgeführten Zahlen und Fakten zu überprüfen, da sich Quellenmaterial vielfach nicht erhalten habe. Er beschreibt die Lektüre des Bandes als Qual wegen der dort geschilderten Grausamkeiten, doch empfiehlt er sie vor allem den Menschen, die jemals "auch nur einen Funken Sympathie" für die politischen Systeme beispielsweise des Ostblocks gehabt haben, und die mit diesem Buch eines Besseren belehrt würden. Wenn für den Rezensenten das "Lager als Signum einer ganzen Epoche" nicht ganz unproblematisch ist, weil die Lager sowohl in der Zielsetzung wie auch in der Führung völlig verschieden waren, findet er die Herangehensweise der beiden französischen bzw. belgischen Autoren hilfreich. Sie teilen die verschiedenen Lager mit "religiös-literarischen" Kategorien in vier Stufen, von der Vorhölle bis zu "Gehenna" - einem alttestamentarischen Tal in dem Kinder dem Moloch geopfert wurden - ein und haben damit ein funktionierendes Unterscheidungssystem gefunden, so der Rezensent zustimmend. Insgesamt machen für ihn die Autoren mit ihren Ausführungen vollkommen deutlich, dass es in den Lagern darum geht, die "Würde" und mitunter auch die Existenz der inhaftierten Menschen auszulöschen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.02.2002

Dem Versuch der Historiker Joel Kotek und Pierre Rigoulot, das 20. Jahrhundert als "das Jahrhundert der Lager" zu beschreiben, gewinnt Rudolf Walther positive und negative Aspekte ab. In seiner ausführlichen Besprechung würdigt der Rezensent das Anliegen der Autoren, sämtliche Formen der Unterdrückung durch Lagerinternierungen detailliert aufzuführen. Damit haben sie, ist Walther überzeugt, ein nützliches und "materialgesättigtes" Handbuch erstellt, das umfassend über die Geschichte von Terror und Repression informiert. Doch ist der Rezensent nicht mit den analytischen Kategorien von Kotek und Rigoulot einverstanden. Insbesondere ihre Orientierung an der "Kategorie des Totalitären" mag er so nicht gelten lassen, da sie den Begriff des Totalitarismus weder entfalteten noch reflektierten. Ihre Einteilung der Lager in Internierungs-, Konzentrations- und Vernichtungslager sowie deren Untergruppierung in die sechs Hauptfunktionen des Isolierens, Bestrafens, Terrorisierens, Ausbeutens, Vernichtens und der "Umgestaltung der Gesellschaft" mangle es an analytischer Trennschärfe, sie seien "zu abstrakt und unterkomplex", um die Unterschiede der Lager zu erfassen, ist der Rezensent überzeugt. Sieht man von diesem Versuch trennscharfer Kategorisierungen ab, habe das Buch aber, meint Walther, einen enzyklopädischen und empirischen Wert, denn hier würden erstmals sämtliche Lager, angefangen bei den "Reconcentration-Camps" auf Kuba im Jahr 1896 bis zu den von den Serben errichteten Lagern im Jahr 1992/93, genau erfasst und beschrieben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.12.2001

Gerd Koenen findet es zweifelhaft, das 20. Jahrhundert als "Jahrhundert der Lager" aufzufassen, wie die in Frankreich und Belgien lehrenden Historiker Joel Kotek und Pierre Rigoulot im Titel ihrer Studie nahe legen. Die Prinzipien der Ausgrenzung und Tötung von Menschen seien, so der Rezensent, zu vielfältig, um sie in eine Struktur pressen zu können, an deren "Spitze" die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten stehe. Zwar hätten die Autoren eine Fülle von Material zusammengetragen, ihre Analysen seien allerdings von Unsachlichkeit und Unstimmigkeiten geprägt. Außerdem sei der Zeitpunkt vorbei, alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit allein am "Idealtypus" des nationalsozialistischen Terrors zu messen, kritisiert der Rezensent die Grundthesen des Autorenduos.