John Updike

Gegen Ende der Zeit

Roman
Cover: Gegen Ende der Zeit
Rowohlt Verlag, Reinbek 2000
ISBN 9783498068769
Gebunden, 398 Seiten, 23,01 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Maria Carlsson. Ben Turnbull, ein Mittsechziger, ein betuchter pensionierter Börsenmakler, lebt in einer komplizierten Ehe, die durch die junge Prostituierte Deirdre erotisch aufgehellt wird. Er widmet sich seiner großen Familie, gibt dem Enkel das Fläschchen, sollte man nicht doch versuchen, mit der Schwiegertochter zu schlafen? Ben spielt Golf, fährt Ski, duldet die Frechheiten der Schutzgeldkassierer, arrangiert sich mit der Gang, die sich auf seinem Grundstück festgesetzt hat, weil sie ihn mit der dreizehnjährigen Doreen allein lässt. Er erkrankt an Prostatakrebs, die zurückgekehrte Gloria bereitet sich auf ihr Leben als reiche Witwe vor. Und Ben schreibt Tagebuch, notiert den Wandel der Jahreszeiten, erschauernd vor den Schönheiten und den Grausamkeiten der Natur.
Einiges ist auch anders als gewohnt. Das Jahr ist 2020, es gibt keine Währung "Dollar" mehr und Federal Express hat die Rolle der Polizei übernommen. Die Vereinigten Staaten haben den Krieg gegen China verloren ... Und gibt es nicht auch andere Wirklichkeiten? Ben Turnbull als Grabräuber im alten Ägypten? Als Schüler des hl. Paulus? Als irischer Mönch?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.12.2000

Genervt zeigt sich K.H. Kramberg von John Updikes neuesten Roman und kann sich doch Bewunderung nicht verkneifen. Womöglich sei es ein genialer Kunstgriff des Autors, sinniert der Rezensent, dieses Textkonvolut zu präsentieren, das von Wiederholungen, Anachronismen und pseudomythologischen Anspielungen übervoll ist, so dass die Lektüre auf Kramberg auf Dauer "höllisch langweilig" wirkt. Ihm kommt es so vor, als habe Updike seine Schränke und Schubladen nach angefangenen und liegengelassenen Manuskripten durchforscht, sei dort fündig geworden und lanciere sie nun in einem geschickten Schachzug in seinem Alterswerk, um die Geduld und Liebe des Lesers auf die Probe zu stellen. Kramer ist ob dieses Romans, der einen alternden Börsenmakler als Alter ego Updikes zur Hauptperson erkoren hat und darin bösartige Betrachtungen über dessen Ehefrau anstellt und ausführliche Erörterungen anderswo getätigter "Beischläfereien" betreibt, recht unwirsch und ungeduldig; ganz verabschieden will er sich aus der Fangemeinde aber wohl auch nicht.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Das Buch gibt sich auf den ersten Blick schlicht, bemerkt Dorothea Dieckmann, als Tagebuch-Roman, sich selbstbeobachtende "Altmännerprosa", die nur durch den kleinen Kunstgriff, die zeitliche Verlagerung in das Jahr 2019/2020, andere (Himmels-)Sphären betritt und öffnet. Mit Dieckmann gesagt: mit dem eigenen Ende wird auch das Ende aller Zeiten gedacht, zugleich aber eine "Religion der Poesie, des Loslassens, der Kontemplation" gefeiert, die auch einem "Zurück zur Natur" das lyrische Wort redet. Dieckmann ist begeistert. Verzichtbar findet sie bloß das gelegentliche Abdriften des Erzählers in physikalisch-spirituelle Gefilde, die vor allem durch Einführung einer Nebenhandlung oder Parallelwelt - eine Weltraumkolonie nach dem stattgefundenen Atomkrieg - gegeben ist. So fließen nach Dieckmann politische Spekulationen, theologisch-philosophische Betrachtungen, lyrische Naturschwärmereien und nicht zuletzt Updikes lakonische Selbstbeobachtungen ineinander, die vor allem den Verlust der männlichen Privilegien konstatieren, als da wären: "die Macht, die Mobilität, der Penis". Dieckmanns Begeisterung verdankt sich auch der Kunst der erfahrenen Updike-Übersetzerin Maria Carlsson.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Denis Scheck bespricht zwei neu erschienene Romane von John Updike. Sein Urteil könnte unterschiedlicher kaum ausfallen.
1) "Gegen Ende der Zeit"
Diesen Roman bewertet der Rezensent als Tiefpunkt in Updikes Oeuvre. Ein "griesgrämiges Altmännerbuch" sei diese Geschichte um den 66-jährigen Börsenmakler Ben Turnbull. Scheck zitiert eine Passage aus dem Roman, in der Turnball von einer prächtigen Erektion träumt, aufwacht, seinen `armen Schwanz, rot und schlapp wie ein Hahnenkamm` betrachtet und sich verzweifelt fragt: `Wie hat ein so überflüssiges Anhängsel jemals der Nabel meiner Welt sein können?` Leider versuche Updike nicht einmal, auf diese Frage eine Antwort zu geben, kritisiert Scheck. Noch mehr schadet dem Roman seiner Ansicht nach die Verlegung der Handlung ins Jahr 2020. Dass Updike Turnbulls "morose Meditationen über die eigene Vergänglichkeit" mit einer Geschichte vom drohenden Weltuntergang verknüpft, scheint Scheck ziemlich eitel zu finden.
2) "Bech in Bedrängnis"
Dieses Buch hingegen hat Scheck so gut gefallen, dass er zum Ende seiner Rezension Updike sogar den Nobelpreis gönnt. `Fast ein Roman` - so der Untertitel - sind die fünf Erzählungen über den Schriftsteller Henry Bech, der eine radikale Verwandlung durchläuft: vom "sanftmütigen Festschriftenautor zum Kritiker mordenden Rächer aller verkannten Künstler dieser Welt", so Scheck. Updike habe Bech schon in zwei Romanen als sein Alter ego auftreten lassen, aber nie vorher habe er "dieser Figur größeren Freiraum gegeben als in dieser scharfzüngigen Abrechnung mit dem internationalen Kunst- und Literaturbetrieb".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.10.2000

Gerrit Bartels meint die Hauptfigur dieses Romans schon zu kennen - so sehr ähnelt sie offensichtlich Protagonisten aus früheren Romanen Updikes und so sehr lässt sie wohl auch an Updike selbst denken. Diesmal heißt Updikes Held und Ich-Erzähler Turnbull, ist 66 Jahre alt und leidet an einem Prostata-Tumor - die schlimmste denkbare Strafe für Updikes Sexbesessenen. Bartels beschreibt eindringlich, dass dieser Held, der hier im Jahr 2020, nach einem chinesisch-amerikanischen Atomkrieg, seine Geschichte erzählt, nicht unbedingt als sympathische Figur auftritt, aber er findet seine Introspektionen dennoch `wahr, weise und reif`. Schön scheint die formale Klammer des Romans zu sein, der im November beginnt und im November des Folgejahres schließt, aber gegen Ende hin, so schildert es Bartels, mit immer eindringlicheren und stilleren Naturbeschreibungen.
Stichwörter