Joseph Vogl

Der Souveränitätseffekt

Cover: Der Souveränitätseffekt
Diaphanes Verlag, Zürich 2015
ISBN 9783037342503
Gebunden, 320 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Die Finanzkrise hat in ihrer jüngsten Zuspitzung zu einer unverkennbaren Krise des Regierens geführt, zu einer Notstandspolitik in der Grauzone zwischen Wirtschaft und Politik: Die Regierungsgeschäfte haben Expertenkomitees, improvisierte Gremien und 'Troikas' übernommen, deren Legitimation der Ausnahmefall ist. Diese Entwicklung ist allerdings keineswegs neu. Wie Joseph Vogl in seinem neuen Buch zeigt, sind die Dynamiken des kapitalistischen Systems und des Finanzkapitalismus durch eine Ko-Evolution von Staaten und Märkten geprägt, in der sich wechselseitige Abhängigkeiten etablieren und verstärken. Vom frühneuzeitlichen Fiskus an zeichnen sich Souveränitätsreservate eigener Ordnung ab, die autonom innerhalb der Regierungspraxis wirken und im Interesse privater Reichtumssicherung die Geschicke unserer Gesellschaften bestimmen: als ungenannte Vierte Gewalt im Staat. Die aktuelle Dominanz von Finanzmärkten wird so als jüngste Spielart einer Ökonomisierung des Regierens begriffen, in der die Verschränkung von Machtausübung und Kapitalakkumulation informelle 'Souveränitätseffekte' erzeugt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2015

Christian Schlüter findet die Thesen des Kulturwissenschaftlers Joseph Vogl in "Der Souveränitätseffekt" durchaus nachvollziehbar. Vogl zufolge ist die "Macher- und Akteursherrlichkeit" der Politik ein gefährlicher Schein, der verbirgt, dass über wesentliche politische Bereiche längst ein "transgouvernementales Netzwerk" aus Expertengremien, beispielsweise die Europäische Zentralbank, die Fäden in der Hand hält, was aber keinesfalls als Wirtschaftsmacht verstanden werden sollte, die sich der politischen Sphäre bemächtigt, warnt der Rezensent, denn die Trennung zwischen Wirtschaft und Politik sei äußerst fadenscheinig, was Vogl anhand zahlreicher beispielhafter institutioneller Verbandelungen demonstriert, fasst Schlüter zusammen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.03.2015

Lesenswert findet Werner Plumpe das Buch des Literaturwissenschaftlers Joseph Vogl über die Ursachen der Finanzkrise in dialektischer Hinsicht. Die vom Autor beschriebene und verantwortlich gemachte Aufhebung der Trennung von Politik und Wirtschaft durch die Zentralbanken findet Plumpe im Buch zwar teilweise schlüssig, aber auch sprunghaft und selektiv dargelegt. Vor allem aber steht die von Vogl als Argument ins Feld geführte Abhängigkeit der Politik von den Finanzmärkten für den Rezensenten nicht am Anfang allen Übels, wie der Autor nüchtern mitteilt. Für Plumpe eine historisch falsche Perspektive, die mit der bloß punktuellen Heranziehung von Ergebnissen der wirtschaftshistorischen Forschung durch den Autor zusammenhängt. Den Pesimismus des Autors möchte der Rezensent dementsprechend auch nicht teilen. Die Politik, meint er, könne immer noch vernünftig handelnd und mit positivem Effekt eingreifen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2015

Wer diesen Band gelesen hat, wird nach dem Urteil des begeisterten, aber auch etwas wortreichen Rezensenten Jens Bisky, gängige Ideen von Demokratie in der Pfeife rauchen. In intellektuell vergnüglicher Weise und dennoch alle Gewissheiten umstürzend wende sich Joseph Vogl der Verflechtung von politischer und ökonomischer - besonders finanzkapitalistischer - Sphäre zu und kommt zu dem Schluss, dass Souverän sei, wer es schaffe, "eigene Risiken in Gefahren für andere" umzuwandeln. Der offizielle Souverän ist also gefesselt durch jene, die ihm Kredit geben, Politik und Bürger sind bloße Marionetten des Finanzkapitals, das ihnen allenfalls in neoliberalen Diskursen noch Entscheidungsmacht vorgaukelt, resümiert Bisky und wünscht sich gerade mit Blick auf die Griechenland-Debatte, dass dieses Buch weithin gelesen und diskutiert wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.03.2015

Wenig hilfreich findet Alan Posener den Essay des kapitalismuskritischen Germanisten Joseph Vogel über politische Entscheidungsmächte im Finanzwesen. Zum einen biete der Autor keine Alternativen, sondern nur originelle Formulierungen, zum anderen verwechsle er bei seiner Kritik Indifferenz mit Interferenz. Posener scheint die Realität komplizierter und theoretisch unsauberer, als es dem Autor gefallen dürfte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.03.2015

Alexander Cammann findet Joseph Vogls neuestes Buch nicht nur einseitig, sondern in letzter Konsequenz sogar gefährlich. Vogl beschreibt in "Der Souveränitätseffekt" die Verbrüderung von Staat und Wirtschaft im siebzehnten Jahrhundert, deren innige Beziehung, die seither in und außerhalb der sich wandelnden Institutionen fortbestanden habe und die nur scheinbare Ohnmacht einer Politik, die sich im Geheimen die Steuerung längst mit der Wirtschaft teile, während sie in der Öffentlichkeit ein Drama zwischen Abhängigkeit und Opposition aufführe, fasst der Rezensent zusammen. Letzten Endes führe das nicht nur zu einer "Delegitimierung der Neuzeit" im Ganzen, warnt Cammann, es ignoriere auch die ausdifferenzierten Machtverhältnisse zugunsten der Dichotomie von Herrschern und Beherrschten, kritisiert der Rezensent.