Julian Hans

Kinder der Gewalt

Ein Porträt Russlands in fünf Verbrechen
Cover: Kinder der Gewalt
C.H. Beck Verlag, München 2024
ISBN 9783406808869
Kartoniert, 253 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Woher kommt die ungeheuere Brutalität, mit der die russischen Soldaten in der Ukraine morden, plündern und vergewaltigen? Warum wehren sich so wenige Russen gegen den Krieg? Julian Hans, der langjährige Moskau-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, macht anhand von fünf spektakulären Verbrechen sichtbar, wie sich Gewalt und Erniedrigung in das Leben der Menschen gefressen haben. Wer verstehen will, wie die russische Gesellschaft tickt, findet hier seismographisch-genaue Antworten. Auch wenn Putin irgendwann nicht mehr im Kreml sitzt - die russische Gesellschaft tritt nicht ab. Menschen, die ihr Leben lang erniedrigt wurden und daher schnell bereit sind, andere zu erniedrigen. Menschen, die nie erfahren haben, dass ihr eigenes Leben geschützt und geachtet wird, und die deshalb schwer Achtung und Mitgefühl für andere entwickeln können. Menschen, die gelernt haben, dass es keine Wahrheit gibt, die nicht morgen in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. Diese Buch nähert sich dem Zusammenspiel von Angst, Gewalt und Lüge in Russland am Beispiel von fünf Kriminalfällen - eine brutale Bande terrorisiert eine Kleinstadt, jugendliche Polizistenmörder werden zu Volkshelden, drei Schwestern töten ihren tyrannischen Vater, ein Enkel klagt die Henker seines Urgroßvaters an, ein Folteropfer überwindet den Hass. Dabei zeigt sich auch, welche Kräfte helfen könnten, die über Generationen geprägten Muster der Gewalt zu überwinden. "Hör mal ganz schnell auf zu lächeln, nimm die Fröhlichkeit aus dem Gesicht. Ich sehe Du bist gut drauf, aber so läuft das bei uns nicht." aus einem Songtext Russland für Traurige Warum gibt es so wenig Widerstand gegen Putins brutalen Krieg? Wie tickt die russische Gesellschaft? Die historische Spirale aus Gewalt und Lüge - und was sie durchbrechen könnte Von einem langjährigen Korrespondenten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.04.2024

Rezensent Markus Schwering lernt einiges aus diesem Buch über die gesellschaftlichen Hintergründe der politischen Gewalt in Russland, auch wenn er sich - ohne hier selbst ins Detail zu gehen - im Detail nicht immer sicher ist, ob hier alle Fakten wasserdicht sind. Insgesamt jedoch kann Schwering die These, dass Putins Brutalität vor allem im Ukrainekrieg etwas mit gesellschaftlich tief verwurzelten mafiösen und patriarchalen Strukturen zu tun hat, die Julian Hans anhand einiger Fallstudien nachzeichnet, durchaus nachvollziehen. Auch die widersprüchliche Haltung der russischen Führung in Bezug auf den Krieg, der von manchen so benannt werden darf, von anderen jedoch als "militärische Spezialoperation" verharmlost werden muss, zeigt Hans laut Schwering auf. Wird dieser Alptraum jemals enden, stöhnt der Rezensent nach der Lektüre dieses nicht viel Hoffnung spendenden Buches.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.03.2024

Insgesamt geht Julian Hans' Ansinnen, die russische Gesellschaft der Gegenwart entlang der Geschichte von fünf Verbrechen zu erklären, gut auf, findet Rezensent Nicolas Freund. Die vom ehemaligen SZ-Moskau-Korrespondenten akribisch recherchierten Fälle betreffen unter anderem einen Vatermord als Folge von Vergewaltigung, die Folterung einer Künstlerin durch Separatisten in Donezk und eine Kleinstadt, die von einer von den Behörden gedeckten Mörderbande terrorisiert wird. Bereits für sich selbst sagen diese Fälle viel über die russische Gesellschaft und ihre Brutalisierung aus, meint Freund, Hans versucht jedoch, sie zu allgemeineren Mustern auszubauen, was mal mehr, mal etwas weniger gut funktioniert. Wobei das Gesamtbild, das sich aus diesen Deutungen ergibt, den Rezensenten durchaus überzeugt. Auch gefällt Freund, dass Hans sich keineswegs in Russenbashing ergeht, sondern darauf hinweist, dass Ansätze einer besseren Gesellschaftsordnung bereits vorhanden sind. Insofern lässt das Buch den Rezensenten, den geschilderten Schrecknissen zum Trotz, nicht hoffnungslos zurück.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 16.02.2024

Mit dem Buch des ehemaligen Moskau-Korrespondenten Julian Hans wird dem Rezensenten Holger Heimann zweierlei klar: wie traumatisiert die russische Gesellschaft durch die herrschende Gewalt ist und dass sich dennoch immer wieder auch mutige Einzelne gegen diese Schreckensherrschaft erheben. Anhand von Fallbeispielen wie der Geschichte um die Zapok-Bande, die in Russlands Süden ihren mörderischen Geschäften nachging, oder aber den drei Schwestern, die sich gegen ihren gewalttätigen Vater zur Wehr setzten, zeichnet der Autor laut Heimann ein düsteres Porträt Russlands. Das Buch findet er glänzend geschrieben und höchst aufschlussreich.

Buch in der Debatte

9punkt 06.03.2024
Autor und Russlandexperte Julian Hans spricht im FR-Interview mit Bascha Mika über sein neues Buch "Kinder der Gewalt" die russische Gesellschaft und Politik anhand von fünf großen Kriminalfällen, die die russische Öffentlichkeit bewegten. Die "Brutalisierung" in Russland sei durch die fortschreitende Militarisierung in den letzten Jahren noch weiter gewachsen. Unser Resümee