Katharina Adler

Ida

Roman
Cover: Ida
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
ISBN 9783498000936
Gebunden, 512 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Sie ist eine der bekanntesten Patientinnen des 20. Jahrhunderts: Dora, das jüdische Mädchen mit der 'petite hystérie' und einer äußerst verschlungenen Familiengeschichte. Dora, die kaum achtzehn war, als sie es wagte, ihre Kur bei Sigmund Freud vorzeitig zu beenden, und ihn, wie er es fasste, "um die Befriedigung [brachte], sie weit gründlicher von ihrem Leiden zu befreien." Für Katharina Adler war die widerständige Patientin lange nicht mehr als eine Familien-Anekdote: ihre Urgroßmutter, die - nicht unter ihrem wirklichen Namen und auch nicht für eine besondere Leistung - zu Nachruhm kam, und dabei mal zum Opfer, mal zur Heldin stilisiert wurde. "Nach und nach wuchs in mir der Wunsch, dieses Bild von ihr zu ergänzen, ihm aber auch etwas entgegenzusetzen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.08.2018

Als "Drehbuch"-Vorlage eignet sich Katharina Adlers Debütroman "Ida" schon seiner "Opulenz" wegen, verspricht Rezensentin Rose-Maria Gropp, die dem Buch aber auch darüber hinaus einiges abgewinnen kann: Die von Adler erzählte Geschichte ihrer Urgroßmutter Ida, die als Hysterikerin in Freuds "Fall Dora" berühmt wurde, ist zwar ohne die berüchtigte Vorlage nicht zu denken, befreit sich dann aber doch zunehmend von der Krankengeschichte und verleiht Ida/Dora eine eigene, sich selbst ermächtigende Stimme, versichert die Kritikerin. Während Ida nach drei Monaten von der Couch hüpft, bleibt Adler allerdings über die Analyse hinaus an Freud kleben, klagt Gropp: Auf wiederholte Hinweise etwa auf "kleine Täschchen mit seidigem Innenfutter" hätte die Rezensentin gut verzichten können. Und bei allem Gespür der Autorin für Milieuschilderungen, wäre Gropp hier auch der wenig greifbaren Ida im Roman gern näher gekommen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.07.2018

Rezensentin Petra Kohse findet Katharina Adlers Roman über ihre Urgroßmutter Ida Adler, Freuds "Fall Dora", lesenswert. Zum einen, weil die Autorin das Leben hinter dem Fall erzählt und Freuds Diagnose unter ihren zeitgeschichtlichen Bedingungen wie in ihrer ganzen Fragwürdigkeit zeigt, zum anderen, da sie den laut Kohse staunenswerten "Überlebensinstinkt" der vielfach missbrauchten Frau herausarbeitet. Szenisch, springend, subjektiv und im Ton der k.u.k.-Zeit macht der Text die gesellschaftlichen Umbrüche der Kriegs- und Zwischenkriegszeit anhand der Figuren sichtbar, meint Kohse. Beim Transportieren von Zeitgeschichte ist das Buch nicht immer ganz anstrengungslos, räumt die Rezensentin ein.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 28.07.2018

Als Plädoyer für die Psychoanalyse liest Rezensentin Sarah Pines Katharina Adlers Roman über ihre Großmutter Ida Adler, auch wenn Freud darin nicht so gut wegkommt. Das Buch ist laut Pines nämlich auch die Emanzipationsgeschichte Ida Adlers, die als Freuds "Fall Dora" berühmt wurde. Die jüdische Familiengeschichte erzählt die Autorin für Pines jenseits wissenschaftlicher Fußnoten in wienerischer Gemächlichkeit, entspannt und detailliert. So entsteht neben dem Familienporträt auch das Porträt der wienerischen Gesellschaft, erklärt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.07.2018

Gut verdaulich und unterhaltend findet Rezensentin Insa Wilke Katharina Adlers Familiengeschichte. Das ist nicht so positiv gemeint, wie es klingt. Denn das Bemühen der Autorin, die Geschichte ihrer Urgroßmutter Ida Adler möglichst lebendig und leicht zu erzählen, ist für Wilke stets spürbar. Außerdem irritiert Wilke der betuliche Ton und das Fehlen jeglicher Dissonanzen in dieser familiären Spurensuche. Welchen Konflikt die Autorin eigentlich behandeln möchte, bleibt für Wilke indes unklar. Vielleicht fehlt Adler einfach die Distanz, vermutet sie.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.07.2018

Wer könnte Sigmund Freuds "Dora", der Protagonistin aus seiner Fallschilderung "Bruchstück einer Hysterie-Analyse" wohl besser  Namen und Leben zurückgeben als deren Urenkelin Katharina Adler, findet Rezensent Stephan Wackwitz, der hier jene Ida Bauer kennenlernt, die nicht nur bei Freud, sondern auch schon in verschiedenen literarischen Nacherzählungen antreten musste. Bei Adler nun lernt der Kritiker die Frau jenseits des Falls kennen, ihre politische Aktivität in der österreichischen Sozialdemokratie, das enge Verhältnis zu ihrem Bruder, Beziehungen zu Mann und Sohn, Vermögensverlust, Exil und Leben in Amerika, wie Wackwitz zusammenfasst. Mehr noch: Schlicht, bewegend und "schön" erzählt ihm die Autorin von einer jungen Frau, der die nötige Anerkennung fehlte und deren Trauma durch Freud nur schlimmer wurde. Dass Adler ihre Erzählung auf den "poesiegerechten Konflikt" zuspitzt, stört den Rezensenten nicht. Im Gegenteil: Er empfiehlt Freud und Adler parallel zu lesen,  um unterschiedliche "Aggregatszustände des Literarischen" zu erleben.