Kristina Gorcheva-Newberry

Das Leben vor uns

Roman
Cover: Das Leben vor uns
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406791314
Gebunden, 359 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Claudia Wenner.  Was bedeutet es, in den letzten Jahren der Sowjetunion erwachsen zu werden - in einem Staat kurz vor dem Zerfall? Dieser Roman verwebt auf beeindruckende Weise die turbulente Geschichte eines Landes mit dem Schicksal einer verlorenen Jugend und erzählt dabei von einer unerschütterlichen Freundschaft zweier Mädchen zwischen Unsicherheit und Aufbruch.Anja und ihre beste Freundin Milka wachsen in den Achtzigerjahren am Stadtrand von Moskau auf. Während ihre Eltern gezeichnet sind von den Entbehrungen der Vergangenheit, blicken die beiden Mädchen einer Zeit der Umbrüche und Reformen entgegen. Frech und lebenshungrig versuchen sie, jeden Schnipsel westlicher Popkultur in die Finger zu kriegen. "We Are the Champions" ist für sie mehr als nur ein Lied, es ist eine Parole.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.09.2022

Nicht nur bezüglich der Handlung fühlt sich Rezensentin Christiane Pöhlmann durch Kristina Gorcheva-Newberrys Roman an Anton Tschechow erinnert. In deutlicher Anlehnung an dessen Stück "Der Kirschgarten" erzählt die Autorin von einem Apfelgarten, der in eine Luxusimmobilie verwandelt werden soll, und von der Protagonistin Anja, die (wie auch die Autorin selbst, weiß Pöhlmann) während der Zeit der Perestroika aufwuchs. Wie Gorcheva davon erzähle, zwar oft in traurigem Tonfall, aber manchmal auch humorvoll, findet die Kritikerin "atmosphärisch überzeugend"; besonders gut gefallen ihr stark "akzentuierte" Szenen. Leider habe die Autorin wie Tschechow aber Probleme mit der großen Form, befindet sie: der erste und der zweite Romanteil, die zeitlich einige Jahre auseinanderliegen, geraten ihr zu unzusammenhängend, und auch andere Lücken, beispielsweise im über die Jahre stark veränderten Blick der Protagonistin auf Russland, wisse Gorcheva-Newberry nicht recht "zu stopfen". Schließlich bleibe auch die Perestroika an sich etwas blass in Gorcheva-Newberrys Beschreibungen - die Kritikerin wirkt insgesamt nicht recht überzeugt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.08.2022

So liebevoll, so eindringlich, so "leuchtend" kann nur eine vom Ende der Sowjetunion erzählen, die selbst dabei war, glaubt Rezensentin Katharina Granzin. Dass Kristina Gorcheva-Newberry ihre Zärtlichkeit und ihre Trauer über den Verlust der Heimat niemals in Nostalgie umschlagen lässt, rechnet Granzin ihr hoch an. Und auch wenn Gorcheva-Newberrys Erzählung vom Aufwachsen zweier junger Frauen in einem Moskauer Vorort teilweise klischiert wirken mag - so war es eben, glaubt die Rezensentin. So golden waren die Sommer, so stark waren die Freundschaften, so süß die Äpfel im Garten von Anjas Eltern, was nicht heißt, dass die Autorin eine heile Welt beschreibt. Die Jugend der beiden Frauen geht nicht ohne Traumata zu Ende, und das Politische drängt sich immer wieder ins Privatem, beziehungsweise das Private ist, auch hier, "unbedingt politisch zu lesen", betont die Rezensentin. Mit diesem leidenschaftlich erzählten ersten Teil kann der kürzere zweite Abschnitt des Romans nicht ganz mithalten - die Beschreibungen von Anjas Alltag in den USA zwanzig Jahre später wirken skizzenhaft und teilweise stereotyp, was das Lesevergnügen der Rezensentin jedoch nicht wesentlich geschmälert zu haben scheint.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.08.2022

Rezensentin Sonja Zekri scheint etwas skeptisch angesichts dieser Tschechow-Anverwandlung von Kristina Gorcheva-Newberry. Es mit dem großen Dichter aufzunehmen und sein eigenes Romandebüt an den "Kirschgarten" anzulehnen, ist ein Wagnis, gibt Zekri zu bedenken. Wenn die Autorin also ein paar vitale Teenager den Anbruch der Perestroika durchleben lässt, erkennt Zekri zwar den "enzyklopädischen Aufwand" an, der der Leserin die russische Kultur und Warenwelt sowie die russische Traurigkeit nahebringt, der so thematisierte Fatalismus in der russischen Gesellschaft erscheint Zekri allerdings als fragwürdige "Tschechow-Trivialisierung".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.07.2022

Einen "echten Pageturner" liest Rezensentin Olga Hochweis mit Kristina Gorcheva-Newberrys Debütroman. Die aus Russland stammende Autorin, die Mitte der neunziger Jahre in die USA emigrierte, erzählt hier vom Aufwachsen ihrer Ich-Erzählerin Anja Raneva in der Sowjetunion der siebziger und achtziger Jahre, sowie von ihrer Rückkehr in die alte Heimat 2007. Dabei stehe, ganz im Sinne eines Coming-of-Age-Romans, die Jugendfreundschaft zwischen Anja und Milka im Vordergrund, die aus unterschiedlichen Verhältnissen stammen, analysiert die Kritikerin. Durch verschiedene politische Haltungen der Eltern werde aber auch die russische Gesellschaft "unter wechselnden politischen Vorzeichen" eindrücklich behandelt, was Hochweis gerade auch im Kontrast zu poetischen Beschreibungen des "zweckfrei Schönen" spannend findet. Für die Kritikerin eine "effektvolle" Kombination aus politischer Auseinandersetzung, Idylle und Dramatik.