Henrik Maihack, Johannes Plagemann

Wir sind nicht alle

Der globale Süden und die Ignoranz des Westens
Cover: Wir sind nicht alle
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406807251
Gebunden, 249 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Der Westen ist nicht mehr der Nabel der Welt. Stattdessen treten die Staaten des Globalen Südens mit neuem Selbstbewusstsein auf. Was sind ihre Interessen, Motive und Sichtweisen? Warum teilen sie die Sichtweise des Westens nicht, zum Beispiel gegenüber Russland? Dieses Buch zeigt die Unterschiede der Wahrnehmung internationaler Politik im Westen und im Globalen Süden auf. Ein besseres Verständnis dieser Unterschiede wird immer drängender, je mehr die USA und Europa an ihrer einstigen Dominanz verlieren. Das Buch diskutiert, warum die Staaten des Globalen Südens so handeln, wie sie es tun, warum deren Skepsis gegenüber dem Westen so tief sitzt - und warum in der neuen Vielfalt auch Chancen liegen. Keine der drängenden globalen Herausforderungen kann mehr durch den Westen allein gelöst werden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch unseren Blick auf den Globalen Süden verändert. Es herrscht Verwunderung darüber, dass die westliche Positionierung gegen Russland in Staaten wie Indien oder Südafrika nicht geteilt wird. Dabei ist dem Globalen Süden längst eine neue strategische Bedeutung zugefallen. Neue politische Allianzen mit den Staaten des Globalen Südens sind notwendig. Doch wer dort Unterstützung sucht, muss deren Motive und Interessen verstehen. Im Globalen Süden ist Multipolarität, also eine Ordnung, in der keineswegs nur die USA und Europa, sondern auch China, Indien, Südafrika oder Brasilien und mancherorts sogar Russland eine wichtige Rolle spielen, ein positives Zukunftsszenario. Weil sie vielen Ländern Autonomie verspricht, indem sie Entscheidungsspielräume eröffnet, wo vorher keine waren. Im Globalen Süden wird die internationale Politik daher ganz anders gesehen als im Westen, wo man den Abschied von der alten Machtordnung als "unübersichtlich" und damit potenziell bedrohlich wahrnimmt. Dabei eröffnen sich Chancen, dort wo viele bislang vor allem Risiken sehen. Denn die fundamentalen Interessen Europas in Wirtschaft, Politik und Ökologie überschneiden sich mit denen vieler Staaten des Globalen Südens.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.11.2023

Wichtige Erkenntnisse zu den politischen Kräfteverhältnissen unserer Zeit entnimmt Rezensentin Bettina Rühl Johannes Plagemanns und Henrik Maihacks Buch. Dass Europa nicht mehr der Nabel der Welt ist, zeigt sich, so Rühl nach Plagemann und Maihack, etwa darin, dass viele afrikanische Länder den russischen Einmarsch in der Ukraine nicht verurteilen wollen. Dahinter steht, führt Rühl im Anschluss an die Autoren aus, der Eindruck, dass in Europa westliche Opfer wichtiger sind als afrikanische. Afrikanische Länder, führt die Rezensentin die These des Buchs weiter aus, möchten selbst entscheiden, wer ihr Feind und wer ihr Freund ist und nicht, wie etwa indische Truppen im Zweiten Weltkrieg, die Kämpfe der Europäer ausfechten, für Werte, die ihnen selbst vorenthalten werden. Die Rede vom globalen Süden mag teils unangemessen verallgemeinernd sein, so stellt Rühl die Position der Autoren dar, aber es gibt durchaus geteilte Interessen in den betreffenden Weltregionen. Europa wird sich auf eine globale Perspektive einstellen müssen, schließt Rühl, dem besprochenen Buch zustimmend.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 24.10.2023

Rezensent Moritz Behrendt empfiehlt das Buch der Politikwissenschaftler Johannes Plagemann und Henrik Maihack. Differenziert und informiert zeigen die Autoren laut Behrendt, warum Staaten wie Brasilien, Indien oder Südafrika nicht eindeutig Stellung beziehen zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Als kluge Einladung, andere als die westlichen Sichtweisen zu begreifen versteht Behrendt das Buch, das neben dem Krieg auch wirtschaftliche Aspekte behandelt oder den Klimawandel. Was geschieht in der Zukunft mit den westlichen Waffen, die in die Ukraine geliefert werden? Solche und andere Fragen erkunden die Autoren laut Rezensent, ohne die Verbrechen Russlands zu verharmlosen. Eine echte Erweiterung der Perspektive, findet er.