Martin Heidegger

Zu Ernst Jünger

Gesamtausgabe, IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen. Band 90
Cover: Zu Ernst Jünger
Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783465033240
Broschiert, 472 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Der Band 90 von Heideggers Gesamtausgabe "Zu Ernst Jünger" enthält jene Aufzeichnungen der Dreißiger Jahre, die "Aussprache über Jünger" sowie ein Manuskript mit der Überschrift "Gestalt" aus dem Jahre 1954. Außerdem umfasst er Randbemerkungen, die Heidegger in großer Zahl in zwei Handexemplaren von "Der Arbeiter", in Jüngers Essaysammlung "Blätter und Steine" sowie in "Über die Linie" überaus sorgfältig eingetragen hat. Zwei Faksimiles aus dem ersten "Arbeiter"-Handexemplar geben dem Leser einen unmittelbaren Eindruck des genauen Lesens. Der Band dokumentiert nicht nur Heideggers sehr entschlossen geführte Auseinandersetzung mit Jüngers aufmerksamen Analysen und programmatischen Stellungnahmen. Er gibt darüber hinaus einen Einblick in die Herkunft derjenigen Gedanken, die Heidegger später zu seiner Erörterung des "Gestells" ausbaute.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.07.2005

Mehrfach hat sich Martin Heidegger mit dem ihm ideologisch nahe stehenden Schriftsteller Ernst Jünger auseinandergesetzt, insbesondere mit dessen Essay "Der Arbeiter". Randnotizen zeugen ebenso davon wie die Aufzeichnungen, die nun in Band neunzig der Gesamtausgabe nachzulesen sind. Heideggers Urteil ist dabei durchaus ambivalent ausgefallen, zusammengefasst in dem Satz: "Er ist ein Erkenner, aber nirgends ein Denker." Zu stark sei Jünger, bemängelt Heidegger, in einer Metaphysik der Subjektivität befangen. Der Rezensent "ujw." ist wiederum von Heideggers Ausführungen nicht recht begeistert. Aufgrund allzu häufiger "Wiederholungen" würden sie zuletzt "flügellahm".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.03.2005

Jürgen Busche hat diese Aufzeichnungen Martin Heideggers zu Ernst Jünger vor allem als einen Versuch gelesen, den eigenen Standort als Staatsbürger und Philosoph zu bestimmen. Heidegger hat mit ihnen 1934 begonnen, also nachdem er, bereits heillos kompromittiert, von seinem Rektoratsposten an der Freiburger Universität zurückgetreten war. Um zwei Punkte sieht Busche diese Aufzeichnungen kreisen: um Nietzsche und die Nazis. "Jünger wie Heidegger", schreibt Busche, "wollten über Nietzsche hinaus in eine neue Zeit vorstoßen." Doch Jünger kannte im Gegensatz zu Heidegger die Nazis - aus eigener Nähe - zu gut, um sich mit ihnen einzulassen. Diese Klugheit Jüngers, so interpretiert es Busche, versuchte nun Heidegger, mit einer genaueren Lektüre Nietzsches wettzumachen, denn bei aller Bewunderung scheine doch immer wieder die Herablassung hervor. Aber recht hat er gehabt, der Heidegger, meint Busch, wenn er Nietzsches "Wille zur Macht" nicht als ein Streben nach etwas Fehlendem interpretiert, sondern als die Bereitschaft, Herrschaft zu vollziehen. Dafür habe Jünger dann bei Hitler klarer gesehen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.02.2005

Als Sensation empfindet Stephan Schlak diesen Band der Heidegger-Gesamtausgabe, die unter Heideggers teilweise handschriftlichen Kommentierungen und Notate über Ernst Jünger zusammenfasst und dokumentiert. Eine Sensation deshalb, begründet Schlak seine Begeisterung, weil Heideggers Randbemerkungen ohne Zweifel "selbstherrlich, subjektiv, artistisch formuliert" seien. Mit anderen Worten, sie sind: giftig. Beide Philosophen weisen anfangs eine gedankliche Nähe zum Nationalsozialismus auf, aber selten wohl, stellt Schlak fest, "lagen konservative 'heroische Realisten' so neben der Wirklichkeit wie 1933". Das Kernstück der Textsammlung ist die "Aussprache über Ernst Jünger", die 1940 im Kollegenkreis Heideggers in Freiburg stattfand. Heidegger nahm die Lektüre von Jünger-Texten zum Anlass, analysiert Schlak, Distanz zur Ideologie seiner Zeit zu gewinnen. Wo Jünger apodiktisch schrieb, formulierte Heidegger Fragen am Rand, er entdeckte den "zivilen Charme der Fragen wieder", behauptet der Rezensent. Heideggers Gewissen aber meldete sich nicht, stellt er fest, lieber legte man die Denkfehler der anderen bloß als die eigenen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.01.2005

Einen "großen Wurf" in der Heidegger- und Jünger-Forschung sieht Christian Geyer in Band 90 der Heidegger-Gesamtausgabe, der die Auseinandersetzung des Philosophen mit Ernst Jünger dokumentiert. Der Band, der auf eine jahrelange intensive Beschäftigung des Seins-Denker mit dem Literaten schließen lässt, offenbart nach Ansicht Geyers, "wie Heidegger aus der Jünger-Lektüre wesentliche Aspekte für seine Auseinandersetzung mit der Technik und der Theorie des 'Gestells' gewinnt." Neben einem Manuskript, das Heidegger anlässlich einer "Aussprache" über Jünger im Kollegenkreis an der Freiburger Uni im Winter 139/40 verfasst hatte, und seinen Randbemerkungen zu Jüngers Aufsatz "Der Arbeiter" bietet der Band unter anderem eine zwischen 1934 und 1940 entstandene Blattsammlung Heideggers über den Schriftsteller sowie Notizen zu Jüngers Aufsätze "Über den Schmerz" und "Über die Linie". Geyer konstatiert eine ambivalente Wirkung Jüngers auf Heidegger: einerseits zeigte sich dieser von der Unangreifbarkeit von Jüngers Sprache fasziniert und sah in ihm den allein würdigen Sohn Nietzsches, andererseits distanzierte er sich polemisch von dessen "Literatenvokabular" und bezeichnete ihn als bloßen "Beschreiber" (gegenüber dem "Denker"). Bezeichnend findet Geyer, dass Heidegger nicht nur durch die Randbemerkung, die er macht, spricht, sondern auch durch die, die er nicht macht: Zu Jüngers Bemerkung etwa, eine neue Weltordnung könne nie ein Geschenk des Himmels oder Erzeugnis der Vernunft sein, sie sei vielmehr nur "über den Arbeitsgang einer Kette von Kriegen und Bürgerkriegen" erreichbar, sei dem Denker des Seins nichts Wesentliches eingefallen.
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