Martin Z. Schröder

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Roman
Cover: Allgemeine Geschäftsbedingungen
Alexander Fest Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783828601024
Gebunden, 304 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Savio, gerade achtzehn geworden, kennt sich in Kaufhäusern bestens aus. Er ist ein Ladendieb, immer gut gelaunt, keiner kommt ihm auf die Schliche. Eines Tages passiert, was ihn selbst verblüfft: Er raubt einen Schüler aus, einfach so. Weil der ihm eine Pistole andichtet, landet Savio als Untersuchungshäftling hinter Gittern. Dort will ihn ein hypochondrischer Pädagoge Ordnung lehren, ist aber mit seinen Gedanken meist woanders. Savio erfährt Ohnmacht und Einsamkeit und freut sich über eine Fliege, die in der Zelle über seine Hand spaziert. Wochen vergehen, bis es der Anwältin gelingt, seine Entlassung durchzusetzen. Das soziale Netz soll Savio auffangen. Statt dessen verheddert er sich darin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.03.2003

Wie ein in Romangestalt exemplifizierter Foucault liest sich für Gieri Cavelty der Debütroman von Martin Z. Schröder. Im Mittelpunkt steht ein 19-jähriger Täter, der selbst zum Opfer wird und sich in den Stricken des sozialfürsorgerischen und strafrechtlichen Systems verheddert, das Foucault als "Kerkernetz" bezeichnet hat, so Cavelty, und vor allem in die unterprivilegierten Schichten hineinregiert. Angesiedelt ist die Geschichte, die soweit ganz glaubhaft und überzeugend erscheine, in Berlin-Neukölln, berichtet Cavelty. Schröder bemühe sich, alle Wertungen herauszuhalten, doch gelegentlich schimmere seine Wut durch, meint der Rezensent. Einzelne Repräsentanten des Sozialstaats erscheinen ihm beispielsweise zu überzeichnet, wogegen der Protagonist manchmal zu flach wirke. Schröder prangert nicht an, er hat ein "stilles Skandalbuch" verfasst, das wohl auf eigenen Erfahrungen als Sozialarbeiter beruht, meint unser Rezensent. Für ihn steht das Buch in der Tradition des Großstadtromans wie Döblins "Berlin Alexanderplatz", dankenswerterweise verzichte der angehende Autor jedoch auf zu viele Anspielungen oder eitle Gesten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.11.2002

Schon lange hat sich literarisch keiner mehr der Gescheiterten, "Pechvögel" und Delinquenten der Gesellschaft angenommen, meint Stefanie Holzer. Martin Z. Schröder, 1967 in Ostberlin geboren, kennt sich mit den Außenseitern der Gesellschaft aus - der Autor hat selbst in Gefängnissen als Sozialarbeiter gearbeitet - und hat darüber eine "kurzweilige", aber "sprachlich feine" und "relevante" Geschichte geschrieben, freut sich die Rezensentin. Im Mittelpunkt steht, so Holzer, Savio Kuszcz, ein "Taugenichts", der vom Kaufhausdieb zum Räuber wird und schließlich im Jugendgefängnis landet. Besonders gelungen und "eindrücklich" findet Holzer die Arbeitsbeschreibungen von Polizisten, Juristen und Sozialarbeitern und deren oft vergebliche Mühe, gesellschaftliche Delinquenten zu reintegrieren.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.07.2002

Reine Begeisterung bei der Rezensentin! Eine gehörige Leistung nennt Ursula März diesen Debütroman und staunt, wie wenig sich der Autor um den literaturhistorischen Ballast kümmert, der den Realismus des dokumentarischen Sozial- und Milieuromans beschwert. Schreibt einfach einen "Anton Reiser in der Realwelt Däubler-Gmelins", eine "soziale Dutzendgeschichte ... unter Anwendung ihrer Dramaturgie als Aktenvorgang"! Dass so etwas nicht ins Auge geht und "überdeutliche Dialoge" oder "hölzerne Stellen in der Sprache", von denen das Buch nicht frei ist, die Oberhand gewinnen, verdankt sich zum einen dem Anstrich des Schelmenromans (der Held ist ein sympathischer Kleinkrimineller aus Neukölln), zum andern aber den Detailkenntnissen eines Autors, der weiß, "wie Bewährungshelfer denken und Sozialarbeiter reden" und der über Gefängnisse "mit den Augen Foucaults" nachgedacht hat. Das Verhältnis zwischen Autor und Stoff also stimmt und stimmt die Rezensentin froh, weil es Schröder gelingt, das "Betäubtheitsgefühl im Unternehmen BRD" zu vermitteln, ohne auf einsinnige Gesellschaftskritik zu verfallen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.06.2002

Die "allgemeinen Geschäftsbedingungen", die im Buchtitel genannt werden, sind laut Rezensent Jörg Magenau "die einfachsten Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens", von denen Martin Z. Schröders Hauptfigur, ein kleiner Ganove, trotz seiner Bemühungen ausgeschlossen bleibt. Bemerkenswert findet Magenau Schröders "detailgenaue Beobachtung", die sowohl auf "Anteilnahme" als auch auf Sinngebung verzichtet. Diese "Stärke" sei allerdings gleichzeitig eine "Schwäche", da die dokumentarische Detailfreudigkeit auf den Leser ermüdend wirke und keine "erzählerische Bedeutung "erlange. Auch die Ebene der "Reflexion" bleibe durch Schröders "Protokollstil" außer Reichweite. Über die einzigen Versuche der Poetisierung, die der Autor unternimmt, rümpft der Rezensent die Nase und lässt auf unmissverständliche Weise ein Zitat für sich selbst sprechen. Magenau sieht in Schröders Buch eine Anknüpfung an die "Dokumentarliteratur der siebziger Jahre", die die "bürgerliche Leserschaft" mit der "sozialen Wirklichkeit" konfrontieren wollte. Er findet diese Auffassung von Realismus "als korrekte Abbildung der Wirklichkeit" sehr erstaunlich bei einem Autor, "der 1967 in Berlin geboren wurde und in der DDR aufwuchs". Da möchte man den Rezensenten allerdings fragen: Was ist denn daran erstaunlich, dass ein Mensch, der in einem kritikfeindlichen Staat aufgewachsen ist, eine solches Realismus-Konzept vertritt?
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.03.2002

Martin Z. Schröder ist noch jung, kann aber schon auf die Karrieren eines Schriftsetzers, Sozialarbeiters und Jugendschöffen zurückblicken, berichtet Rezensent Thomas Steinfeld. Und nun hat er einen Roman geschrieben, den der Rezensent "zurückhaltend, klug und genau" findet. Darin geht es um die Geschichte des 19-jährigen Savio Kuszcz aus Berlin-Neukölln. Der wohnt bei seiner Großmutter, ist arbeitslos, hat die Hauptschule abgebrochen, kann kaum lesen und schreiben. Ein "armes Schwein" eben, denkt Steinfeld, das sich durch sein Leben "laviert" und doch anscheinend unausweichlich auf die schiefe Bahn gerät. Der Rezensent findet es wohltuend, dass dieser Roman nicht im schicken Berlin-Mitte spielt, wo sich die "Angestellten von Werbeagenturen" tummeln, sondern in einem Bezirk, der von sozialen Problemen gekennzeichnet ist. Schröders überhaupt nicht "kleine Buch" sei eine "Sozialreportage in Gestalt eines Romans", die dem Leser ein Leben zeige, vor dem man gerne die Augen verschließt, lobt Steinfeld. Als größte Qualität des Romans hebt er die "verhalten präzisen" Deutungen des Erzählers hervor.
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