Michael Kleeberg

Karlmann

Roman
Cover: Karlmann
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2007
ISBN 9783421054593
Gebunden, 471 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Juli 1985. Ein junger Mann hat am Vormittag geheiratet und sitzt am Nachmittag vor dem Fernseher. Dort erlebt er mit, wie ein deutscher Tennisspieler auf dem berühmtesten Center Court der Welt beweist, dass man das Unmögliche schaffen kann, wenn man nur will. Und sein Glaube und seine Zuversicht übertragen sich auf Karlmann "Charly" Renn. Auch der ist heute ein Sieger. Er hat seine Traumfrau geheiratet, und der Ausgang des Wimbledon-Finales ist ein gutes Omen für die Zukunft. Dies ist Charlys Tag. Oder hätte es sein können, wäre da nicht das unerwartete Geschenk seines Vaters, das seine hochfliegenden Träume korrigieren wird. Michael Kleeberg betreibt mit literarischen Mitteln nicht weniger als eine Anthropologie des Männlichen. Charly Renn nämlich ist ein Jedermann, ein Mann, den man zu kennen glaubt. Einer, der begehrt, sucht, funktioniert, sich fügt und vom Ausbruch träumt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2007

Im Aufmacher der Literaturbeilage annonciert Dirk Knipphals sehr freudig Michael Kleebergs Roman "Karlmann", dem es gelinge, mit seiner eindrücklichen Hauptfigur Karlmann 'Charly' Renn weit mehr zu schreiben als eine Generationengeschichte der Mittvierziger und ihrer Befindlichkeit. Kleeberg, der als Übersetzer Prousts literarisch geschult sei und seit seinem letzten Roman wohltuend erzähltechnisch aufgerüstet habe, begleitet seinen Helden fünf Jahre lang durch das Auf und Ab seines Hamburger Mittelstandslebens in den siebziger Jahren. Dabei montiert er essayistische Passagen mit Salonszenen, Selbstgesprächen des Protagonisten und dessen Bewusstseinsstrom und komme seiner Figur dabei auf vorbildliche Weise nahe. Das Ende des Romans, die Ereignisse des Herbstes 1989, demonstrieren nach Ansicht des Rezensenten am deutlichsten, was dem Buch als grundlegender, desillusionierender Gedanke unterliege: Dass das Private und das Emotionale für den einzelnen Menschen stets Vorrang haben vor den Geschehnissen der Weltgeschichte: Für Charly tritt die Erfahrung des Mauerfalls angesichts persönlicher emotionaler Erfahrungen in den Hintergrund.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.10.2007

Durchaus angetan zeigt sich Rezensentin Beate Tröger von Michael Kleebergs Roman "Karlmann". Als Porträt der Achtziger Jahre findet sie das Buch vollauf gelungen, als "Psychogramm eines Jedermanns" nicht immer. Zwar folgt sie diesem Jedermann, Karlmann Renn, genannt Charly, der dauernd über die Wirklichkeit stolpert und dessen Leben so anders verläuft, als er sich das beim Ansehen des legendären Wimbledon-Match zwischen Boris Becker und Kevin Curren im Fernsehen erträumt, gern durch die Achtziger Jahre. Auch bescheinigt sie Charlys gedanklichen Dauermonolog eine soghafte Wirkung. Wie Charly sich die Ernüchterung angesichts der Einsicht in die Differenz von Wirklichkeit und Wunschvorstellungen zurecht biegt, erinnert Tröger in den besten Passagen an die "faszinierenden Selbsttäuschungsmanöver" von Protagonisten aus den Romanen Patricia Highsmiths. Allerdings kann sie sich nicht des Eindrucks erwehren, Charlys monomane "klischeedurchsetzten Denkexzesse" liefen dem Autor immer wieder aus dem Ruder. Zweifel hat sie auch an der von Kleeberg in einem Interview geäußerten Ansicht, diese Nahaufnahme Charlys biete "die letzten Betriebsgeheimnisse der Männer". "Gerade schmeichelhaft", so die Rezensentin, "wäre das nicht."
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2007

Als "Proust-Joyce-Musil-Thomas-Mann-Projekt des Jahres 2007" begrüßt Ursula März Michael Kleebergs jüngsten Roman "Karlmann". Hoch hinaus will der Autor damit und, ja, vieles gelinge ihm auch auf geradezu stupende Weise, findet die Rezensentin. Angelegt ist das Buch als eine Art Generationenroman, konzentriert auf eine exemplarisch "trübe Tasse" mit Namen Charly Renn als Helden, konzentriert auch auf nur fünf Episoden in den Jahren 1985 bis 1989. Es beginnt mit Boris Beckers Wimbledon-Sieg und einem Seitensprung in der Hochzeitsnacht, es weitet sich im vierten Kapitel "zur großen Form des Gesellschaftsromans". Und dass Kleeberg schreiben kann wie kaum ein zweiter in der deutschen Gegenwartsliteratur, daran besteht, so März, auch gar kein Zweifel. Damit beginnt aber das Problem des Romans: Kleeberg nämlich berausche sich am eigenen Können und ziele so auf ein "Möglichstviel und Möglichstlang" des Gekonnten, das das Buch zwar nicht ruiniert, aber im Ergebnis mit schöner Regelmäßigkeit am "künstlerischen Verstand" des Autors zweifeln lasse.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.09.2007

Grandios findet Erhard Schütz Michael Kleebergs Roman "Karlmann", in dem er nicht weniger als die Vorzüge amerikanischer Autoren wie Philipp Roth oder John Updike vereint sieht mit der genauen Wahrnehmung und tiefen Reflexion eines Marcel Proust, als dessen Übersetzer Kleeberg hervorgetreten ist. Das Buch handelt von Charly, der sich an der für ihn bestehenden Unvereinbarkeit von Liebe und Sexualität abarbeitet und am Ende von seiner Frau für eine lesbische Liebe verlassen wird. Der Rezensent ergötzt sich an der Welthaltigkeit der Kleebergschen Prosa und begeistert sich genauso für die prägnanten Beschreibungen der feinen Hamburger Gesellschaft, wie er die plastischen Schilderungen der Exkurse Charlys in die S/M-Welt bewundert. Die Darstellung von Charlys täglichen Mühen als Leiter eines Autohauses lobt der Rezensent zudem als "Kabinettstück" aus der Welt der Arbeit. Und wenn der Rezensent auch empfindet, dass sich Erzählung und Reflexion in diesem Buch nicht immer ganz glatt ineinander fügen, so erkennt er zwischen diesen beiden Ebenen des Romans dennoch eine "produktive Spannung". Richtig hingerissen aber ist er von der "leidenschaftlichen Spracherotik", mit der der Autor seine Hauptfigur gespannt zwischen sexuellen Abenteuern, seiner zärtlichen Liebe für seine Frau, seinen Empfindlichkeiten und seiner "lustvollen Weltaneignung" schildert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2007

Meike Fessmann ist angesichts Michael Kleebergs "Karlmann" hin und her gerissen zwischen rückhaltloser Bewunderung und Enttäuschung. Der Autor beschreibt darin fünf exemplarische Tage zwischen 1985 und 1989 im Leben des Autohausbesitzers Charly, die sein Scheitern am Leben und an der Liebe demonstrieren, erklärt die Rezensentin. Während sie von den beschreibenden Passagen vollkommen begeistert ist und hier die Klugheit, die genaue Beobachtungsgabe und gekonnte Machart lobt, stört sie an den reflektierenden Textstellen der allzu große Ehrgeiz Kleebergs, seine intellektuellen und künstlerischen Fähigkeiten zur Schau zur stellen. Nicht nur die männlichen Protagonisten, auch der Autor neige zur "intellektuellen Hochstapelei", moniert die Rezensentin. Trotzdem ist sie gespannt, wie das Leben von Charly weitergehen könnte und vor allem, was Kleeberg der laufenden Debatte um das Geschlechterverhältnis und zu den Erfolgschancen, Liebe und Sexualität zu verbinden, noch vorzubringen hat. Denn sie hofft auf und rechnet mit einer Fortsetzung von Charlys Lebensbeschreibung.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de