Klappentext
Übrig geblieben sind ihr nur ein Briefumschlag mit einer Handvoll Fotografien und die Angst vor dem Vater, die Sorge um ihre Mutter und ihren Bruder, die Knoten in ihrer Brust. Seka sucht mit Anfang zwanzig nach den Spuren ihrer zerbrochenen Familie und ihres bisherigen Lebens. Sie rekonstruiert den Weg ihrer Eltern aus Bosnien in die Schweiz und fragt nach den Verbindungen, den Fäden zu ihr. Dabei stößt sie auf das Gefangenenlager in Omarska in den neunziger Jahren und einen Brief, der sie weiter nach Den Haag und Genf führt, später ins Berner Oberland. Und sie stellt fest, dass in Omarska heute Erz in den Minen abgebaut wird, als hätte es die Geschichte nicht gegeben, die eines fast schon vergessenen Krieges in Europa. Dabei wirken die Versehrungen der Vergangenheit bis in die Gegenwart fort. Mina Hava verknüpft in ihrem Debütroman historisches Material, Recherche- und Rekonstruktionsarbeit mit persönlichen Erfahrungen, Verlusten und Ängsten - und beleuchtet, was Geschichte bedeutet für Landschaften und Körper.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.08.2023
Rezensentin Cornelia Geißler staunt über die Souveränität von Mina Hava im Umgang mit ihrem vielfältigen Stoff. Das Buch, eine Montage aus Lektüren und Erinnerungen, verfasst in der dritten Person, mit einer jungen Frau im Zentrum, deren Leben sich zwischen der Schweiz und Bosnien-Herzegowina bewegt, zwischen kriegerischer und väterlicher Gewalt, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, verwirrt Geißler nur anfänglich. Die Autorin weiß, was sie tut, wenn sie ihren Assoziationsteppich webt, versichert die Rezensentin. Die Leserin kann sich das hin- und zurückblätternd erschließen, rät Geißler.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.07.2023
Rezensentin Miriam Zeh stockt der Atem beim Lesen von Mina Havas sprachlich und formal, wie sie findet, gelungener Rekonstruktion der Gewalt im serbischen Gefangenenlager Omarska während des Bosnienkrieges. Wie die Autorin die Lücken in der bosnischen Gewaltgeschichte thematisiert, indem sie ihre 22-jährige Protagonistin in sprunghaft montierten dichten Beschreibungen und Szenen ihre eigene Familiengeschichte erforschen lässt, findet Zeh bemerkenswert und in seiner Unmittelbarkeit intensiv und eindrücklich.
Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.05.2023
Vom "rasenden Stillstand der Angst" erzählt Mina Havas Romandebüt dem schwer beeindruckten Rezensenten Paul Jandl. Die Protagonistin Seka hat einen Migrationshintergrund, die Eltern sind im Krieg aus Jugoslawien geflohen. Sie begibt sich nun auf die Suche nach den Bruchstücken, die ihre Geschichte zusammensetzen. Gewalt in Gefangenenlagern wie im Exil wird splitterhaft, fragmentartig geschildert, so Jandl, und entfaltet für ihn eine Kraft, die die wichtigen Fragen nach dem Wieso stellt, ohne in autofiktionale Klischees zu tappen. Der begeisterte Kritiker kann gar nicht anders, als der erst 25-jährigen Autorin eine große Zukunft zu bescheinigen.
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