Paul Michael Lützeler (Hg.), Barbara Mahlmann-Bauer (Hg.)

Aussteigen um 1900

Imaginationen in der Literatur der Moderne
Cover: Aussteigen um 1900
Wallstein Verlag, Göttingen 2021
ISBN 9783835339194
Gebunden, 588 Seiten, 64,00 EUR

Klappentext

Mit Abbildungen. Die Visionen der Lebensreformer auf dem Monte Verità inspirierten Schriftsteller wie Hermann Broch, der selber ein Aussteiger war.Im verheißungsvollen Jahr 1900 gründeten Ida Hofmann und Henri Oedenkoven eine lebensreformerische Heilanstalt in Ascona, beeinflusst von Ideen Rudolf Steiners sowie Friedrich Nietzsches. Viele Spielarten des Aussteigens - von unpolitischen über sozialistische und anarchistische Positionen - waren in Ascona vertreten. Neben Karl und Gusto Gräser, Otto Gross und Erich Mühsam hospitierten in der Kommune Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Hermann Hesse, Ernst Bloch, Yvan und Claire Goll, Franziska zu Reventlow, Emmy Hennings, Hugo Ball und Oskar Maria Graf. Willkommen waren auch Vertreter der neuen Tanzkunst wie Rudolf von Laban und seine Mitarbeiterin Mary Wigman. Der Band untersucht die Faszination, die Nietzsches Philosophie auf die Kommune ausübte, sowie Spuren der Reformideen, die in der Medizin, der Architektur und der Literatur der Moderne zu entdecken sind. Sieben Aufsätze beleuchten erstmals Hermann Brochs Beziehungen zu diesen Gegenwelten, denn 1927 verkaufte er die Fabrik seiner Familie, schaffte mit vierzig Jahren den Berufswechsel vom Industriellen zum Schriftsteller und schuf in Wien sowie im amerikanischen Exil ein Erzählwerk voller Aussteigerfiguren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.03.2022

Rezensent Ewart Reder empfiehlt den Kongressband mit Textsammlungen von Autorinnen und Autoren, die sich als Aussteiger rund um den italienischen Monte Verità zusammenfanden. Viele der literarisch tätigen Aussteiger inspirierten sich an Nietzsche und dessen Kulturkritik, lernt Reder. Neben weniger bekannten Schriftsteller*innen wie Gusto Gräser und Ida Hofmann behandele der Band eher bekanntere Größen wie Hermann Hesse, dessen Werke seine persönlichen Konflikte widerspiegeln wie den Sorgerechtsstreit mit der ersten Ehefrau in "Demian" und der spätere Rückzug in eine imaginäre Männerwelt im "Glasperlenspiel". Besonders gelungen findet der Rezensent die acht Aufsätze zu Werken von Hermann Broch, der interessiert und zugleich mit kritischer Distanz die Aussteigerbewegung beobachtete und in seinen Texten aufgriff.